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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition)
Autoren: Elly Griffiths
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weggeräumt. Darunter lagen sie. Wahrscheinlich hat der Felssturz auch ein Stück Boden mit weggerissen.»
    «Liegen sie oberhalb der Gezeitenmarke?», fragt Judy weiter. Unten in der Bucht schlagen inzwischen die ersten Wellen an die Felswand.
    «Für den Moment vermuten wir, dass sie durch das Geröll vom Steinschlag ausreichend geschützt sind», sagt Trace.
    «Allerdings nicht bei einer Springflut», meint Steve. «Die reicht hoch hinauf.»
    «Und wenn wir die Steine wegräumen und einen Graben anlegen», sagt Trace, «erreicht das Wasser sie mit Sicherheit.»
    Sie betrachten die Wellen, die jetzt mit unglaublicher Geschwindigkeit hereinbrechen, Tümpel zwischen den Steinen miteinander verbinden, Reste von Wellenbrechern unter sich begraben und die ganze kleine Bucht in einen schäumenden, gischtweißen See verwandeln.
    Trace schaut auf die Uhr. Seit seiner Ankunft hat sie Clough nicht eines Blickes gewürdigt; er ist sich nicht sicher, ob sie sauer ist, weil er so spät dran war, oder ob sie einfach nur die professionelle Archäologin gibt. Für ihn ist es etwas völlig Neues, mit einer Karrierefrau zusammen zu sein und dann auch noch einer mit Punkfrisur, Zungen-Piercing und Doc Martens. Kennengelernt haben sie sich bei einem anderen Fall, in den Trace verwickelt war und bei dem es ebenfalls um Archäologie und vergrabene Knochen ging. Clough weiß noch genau, wie sehr er sich von Anfang an zu ihr hingezogen fühlte, als er sie beim Graben sah, die Muskeln, die sich an ihren schlanken Armen abzeichneten. Auch jetzt findet er diese Muskeln – und das Piercing – noch ungeheuer sexy. Er selbst kann nur hoffen, die Tatsache, dass er kein Buch mehr angefasst hat, seit er im Englischunterricht bei Von Mäusen und Menschen auf halber Strecke aufgegeben hat, durch sein Sixpack ausreichend wettzumachen.
    Judy setzt ihre Befragung fort. «Und ihr seid sicher, dass es menschliche Knochen sind?»
    «Ziemlich», antwortet Trace. Sie fröstelt ein wenig. Die Sonne ist längst untergegangen, und es ist windig geworden.
    «Wie alt?»
    «Das weiß ich nicht. Dafür bräuchten wir Ruth Galloway.»
    Trace, Clough und Judy wechseln einen Blick. Jeder von ihnen verbindet eigene Erinnerungen mit Ruth Galloway. Nur Steve zeigt keine Reaktion auf den Namen. «Ist das nicht diese Forensikerin? Ich dachte, die hat aufgehört.»
    «Sie war im Mutterschaftsurlaub», sagt Judy. «Aber ich glaube, inzwischen arbeitet sie wieder.»
    «Sie sollte lieber daheimbleiben und sich um ihr Kind kümmern», meint Clough etwas unbedacht.
    «Sie ist alleinerziehend», faucht Trace ihn an. «Ich nehme mal an, sie braucht das Geld.»
    «Was habt ihr überhaupt hier am Strand gemacht?», lenkt Judy hastig ab.
    «Wir machen im Auftrag der Universität eine Studie über Küstenerosion. Dafür vermessen wir alle Strände im Nordosten Norfolks. Ein paar interessante Funde haben wir auch schon gemacht. Faustkeile aus der Frühsteinzeit in Titchwell, einen römischen Armreif in Burgh Castle, jede Menge Wracks. Steve hat gerade die Felswand hier begutachtet, als er die Knochen in der Höhle dahinter entdeckt hat.»
    «Wie könnt ihr denn solche Sachen finden?», will Judy wissen, während sie über den Küstenpfad zurückgehen. «Wenn das Meer immer näher kommt, müsste es doch eigentlich alles zudecken.»
    Clough ist froh, dass Judy die Frage gestellt hat. Genau das wollte er auch wissen, hat sich aber nicht getraut zu fragen, weil er vor Trace nicht blöd dastehen möchte.
    «Flutwechsel», antwortet Trace knapp. «Der Sand verschiebt sich, teilweise verschlickt er, aber andere Bereiche werden freigelegt. Die Kieselbänke rücken weiter nach hinten. So kommen Dinge zum Vorschein, die vergraben waren.»
    «So wie unsere Knochen», ergänzt Steve. «Ursprünglich wurden sie sicherlich weit oberhalb der Gezeitenlinie vergraben, aber das Wasser kommt immer näher. Es trägt das Land ab. Und dann ist ein Teil des Felsens runtergekommen.»
    «Konnten Sie sie gut sehen?», fragt Clough.
    «Nein», antwortet Steve. «Die Flut kam viel zu schnell. Wir wollten nicht riskieren, auf der falschen Strandseite eingekesselt zu werden. Aber auf den ersten Blick würde ich sagen, dass wir da mehr als eine Leiche haben.»
    Clough und Judy sehen sich an. «Und es sind definitiv Menschen?»
    «Meiner bescheidenen Meinung nach schon.»
    «Wir haben noch was gefunden», sagt Trace, die grundsätzlich keine bescheidenen Meinungen hat.
    Inzwischen sind sie beim Pub angekommen. Das
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