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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition)
Autoren: Elly Griffiths
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des Turms flattert die britische Flagge.
    «Sea’s End House», sagt einer der Männer und bleibt stehen, um kurz den Rücken zu strecken.
    «Wohnt da nicht dieser Abgeordnete?», fragt ein anderer.
    Die Frau ist am Rand der Bucht stehen geblieben und schaut zu dem Haus hinüber. Seine Zinnen wirken in der Dämmerung dunkelgrau, fast schwarz.
    «Jack Hastings», sagt sie. «Er ist Europaabgeordneter.»
    Obwohl sie von den vieren die Jüngste ist und äußerlich recht unangepasst wirkt – eine stachlige, dunkelrot gefärbte Kurzhaarfrisur, Piercings und Armeejacke –, behandeln ihre Begleiter sie sichtlich mit Respekt. Jetzt sagt einer von ihnen fast flehentlich zu ihr: «Wollen wir’s für heute nicht lieber gut sein lassen, Trace?»
    Der Mann mit dem Stock, ein kahlköpfiger Riese, der überall nur Ted der Ire heißt, setzt hinzu: «Da drüben ist ein gutes Pub. Das Sea’s End.»
    Die anderen unterdrücken ein Grinsen. Ted eilt der Ruf voraus, jedes Pub in ganz Norfolk zu kennen – eine beachtliche Leistung in einem Landstrich, der angeblich für jeden Tag des Jahres eine eigene Kneipe vorweisen kann.
    «Gehen wir bis ans Ende des Strandes.» Trace zückt ihre Kamera. «Wir sollten noch ein paar Vermessungen vornehmen.»
    «Die Erosion ist hier weit fortgeschritten», bemerkt Ted. «Das habe ich auch schon gelesen. Das Haus da, Sea’s End, gilt als gefährdet. Jack Hastings macht einen Mordsaufstand deswegen. Tönt ständig rum, jeder Engländer sei König im eigenen Heim.»
    Alle betrachten das graue Haus oben auf dem Felsen. Von den Außenmauern des runden Turmes ist es nur noch ein knapper Meter bis zum Abhang. Die Reste eines Zauns ragen verwegen ins Leere.
    «Hinter dem Haus war mal ein richtiger Garten», sagt Craig, einer der beiden anderen Männer. «Mit Laube und allem Drum und Dran. Mein Großvater war Gärtner dort.»
    «Der Strand verschlickt auch immer mehr», meint Trace. «Bei dem schweren Sturm im Februar ist eine Menge Geröll runtergekommen.»
    Sie sehen in die schmale Bucht hinunter. Am Fuß der Felsen erstreckt sich ein von Steinen bedecktes Strandstück, dahinter geht es steil zum Meer hinab. Kein sonderlich einladender Ort: Man kann sich kaum vorstellen, dass Familien hier Picknick machen, Kinder mit Eimern und Schäufelchen im Sand spielen, Erwachsene in der Sonne liegen.
    «Sieht nach Felssturz aus», bemerkt Ted.
    «Kann gut sein», sagt Trace. «Machen wir trotzdem unsere Messungen.»
    Sie geht voran den Strand entlang, so nah wie möglich an der Felswand. Von Sea’s End House geht ein steiler Pfad zum Meer hinab, oberhalb der Gezeitenmarke liegen Fischerboote vertäut, doch die Flut kommt immer näher.
    «Hier führt kein Weg mehr vom Strand weg», sagt der Mann, dessen Großvater als Gärtner gearbeitet hat, «nicht, dass wir nachher von der Flut eingeschlossen werden.»
    «Das ist doch nicht tief», erwidert Trace, «da können wir durchwaten.»
    «Aber die Strömung ist tückisch», warnt Ted. «Gehen wir lieber gleich einen trinken.»
    Trace schenkt ihm keine Beachtung: Sie fotografiert die Felswand, die schwarzen und grauen Sedimente, zwischen denen hin und wieder ein leuchtend roter Streifen hervorsticht. Ted steckt seinen Stock in den Boden und bestimmt die Koordinaten. Der dritte Mann, Steve, geht weiter bis zu einer Stelle, wo sich eine Spalte im Fels zu einer Höhle erweitert hat. Steine, wahrscheinlich weitere Überreste des Felssturzes, versperren den Eingang. Steve klettert über das Geröll, schlittert über die lockeren Steine.
    «Pass auf», ruft Trace, ohne sich umzudrehen.
    Das Meer ist lauter geworden, es donnert jetzt auf das Land zu, und die Seevögel kehren in ihre Nester hoch in der Felswand zurück.
    «Wir sollten lieber umkehren», sagt Ted noch einmal, doch da ruft Steve vom Felsen herunter: «He, schaut euch das mal an!»
    Die anderen kommen näher. Steve hat sich eine Schneise durch das Geröll gebahnt und hockt jetzt in der höhlenartigen Vertiefung dahinter. Eine tiefe Nische, fast schon ein Durchgang, zu dessen beiden Seiten der Fels dunkel und bedrohlich in die Höhe ragt. Steve hat ein paar größere Brocken beiseitegeräumt und betrachtet jetzt etwas, das halb vergraben im sandigen Boden liegt.
    «Was ist das?»
    «Sieht aus wie ein Arm», stellt Ted ungerührt fest.

    Detective Sergeant David Clough isst. Das ist an sich nichts Besonderes. Clough isst den lieben langen Tag fast ununterbrochen, angefangen mit einem Frühstück von McDonald’s
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