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Gezeiten des Krieges

Gezeiten des Krieges

Titel: Gezeiten des Krieges
Autoren: Loren Coleman
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Republik der Sphäre
    24. April 3134
    Evan Kurst wankte auf die Fassade eines Ladengeschäfts zu und stützte sich kurz ab. Die Nachtluft strich ihm kühl über die gerötete Haut. Er wischte sich die Hände an der Hose trocken, dann verstellte er die Gurte des Rucksacks, um unauffälliger zu wirken. Ein halbes Dutzend Bücher, eine Ladung Wäsche für den Waschsalon, Einkäufe für ein paar Tage
    - das wäre für einen Studenten im vierten Jahr des Liao-Konservatoriums normal gewesen. Aber militärische Endverstärker wogen erheblich mehr. Und es war absolut nicht empfehlenswert, sich dabei erwischen zu lassen, wie man sie durch die planetare Hauptstadt Chang-an schleppte.
    Oder irgendwo sonst.
    Trotz der frühen Morgenstunde - es war kaum Mitternacht vorbei - konnte man die Straßen des Vororts kaum als verlassen bezeichnen. Der nur durch einen vierspurigen Boulevard und eine hohe Mauer - die rechts von Evan stand - vom Campus des Konservatoriums getrennte Geschäftsdistrikt Yi-lings war ganz auf das Studentenleben mit seinen spätnächtlichen Büffelorgien, Feiern und sonstigen Nachtschwärmereien ausgelegt. Neonlichter lockten mit bunten Farben. Zwar war nicht viel los, doch es waren immerhin noch einige Pärchen und ein halbes Dutzend Einzelgänger unterwegs, die aus der Universität kamen, auf dem Weg dorthin waren oder einfach nur die Partys wechselten.
    Ein Bruder im Weingeiste schwankte mit einer offenen Flasche Timbiqui Dunkel vorbei und hob die langhalsige Pulle, eine Geste der moralischen Unterstützung.
    Evan winkte verlegen zurück, dann quälte er sich zur nächsten Ecke weiter. Eine Kante des Verstärkergehäuses grub sich ihm in den Rücken. Wieder schob er sich an der Wand entlang und täuschte vor, die Stütze zu brauchen, um sein Gewicht zu verlagern und die Schulterriemen in eine andere Position zu bringen.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung war der Eckeingang zu einem Park, wo sich Studenten mit Rädern oder Inlinern vergnügen oder auf harten Plastikbänken herumlungern konnten, wenn sie nur dem Unigelände entfliehen wollten. Rechts davon ragte auf der anderen Seite des Boulevards der große Torbogen des Uni-Haupteingangs auf: der bevorzugte Hintergrund für Bilder, mit einem zwischen festungsgleichen Mauern aufragenden Stützbogen, der in Relieflettern den Schriftzug LIAO KONSERVATORIUM trug, und durch den man einen beeindruckenden Blick auf gepflegte Grünflächen hatte.
    Die meisten Studenten und Kadetten benutzten eines der kleineren Tore, die viel näher an den Wohnheimen, Vorlesungssälen und dem Paradeplatz lagen. Dadurch war hier relativ wenig los und sie hatten gerade genug Zeit für ihr Vorhaben.
    Evan war spät dran. Er war noch zehn Meter von der Querstraße entfernt, als quietschende Reifen und ein lautes Scheppern hinter ihm über die Straße hallten. Es fiel ihm schwer, nicht loszurennen. Eine Geheimoperation zu verraten, war am einfachsten, indem man sich auffällig benahm. Trotzdem schwankte Evan erst noch ein paar Schritte weiter zur nächsten Ecke, bevor er sich zu dem Verkehrsunfall umdrehte. Eine Querstraße hinter ihm ergriff ein Wagen die Flucht und verschwand mit schleuderndem Heck den breiten Boulevard hinauf, der Yiling vom Konservatorium trennte. Der andere Wagen, ein Avanti-Hybrid, fing Feuer, als die Funken eines Schwungrads ausgelaufenes Benzin in Brand setzten. Zumindest würde das so im Polizeibericht stehen.
    Passanten liefen hinüber zu dem Hybrid, um zu helfen, oder blieben wie angewurzelt stehen, um zuzusehen. Ein junger Bursche rannte über die vier Fahrspuren des Boulevards und hämmerte gegen das Fenster des kleinen Wachhäuschens unter dem Torbogen. Darauf folgten großes Gestikulieren und laute Worte, dann begleitete ein Sicherheitsmann Evans Lockvogel im Laufschritt zum Schauplatz des arrangierten >Unfalls<.
    »Weitergehen«, befahl eine energische St imm e. Ein uniformierter Polizist trat auf die Kreuzung und winkte Evan mit knapper Geste durch.
    Evan nickte dankbar. Sie tauschten ein dünnes Lächeln aus, als Evan über die Kreuzung lief. Beide waren Mitglieder des Liao-Kults. Der Polizist sollte verhindern, dass die Aktivitäten des Ijori De Guäng unerwünschte Aufmerksamkeit erregten.
    Evan huschte geduckt in den Park und zog sich eine Kapuzenmaske aus leichter Baumwolle übers Gesicht.
    An dieser Stelle war am Abend zuvor eine Straßenlaterne beschädigt und noch nicht repariert worden. Seine Leute warteten im Schatten des dunklen
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