Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Schließlich hatten die beiden
augenblicklich erkannt, wer das war, der hier stand und die illustre
Gesellschaft mit einer Bombe bedrohte, einer Bombe, die zwar etwas Selbstgebasteltes
an sich hatte, aber nicht so, daß man ein Spielzeug hätte vermuten können.
Sheila und der Mann, den alle das gute Messer nannten, dachten keine Sekunde an einen Zufall.
    Und genau das war es ja, was Fritz wollte. Sheila und dieser Kerl
sollten verstehen. Sie sollten begreifen, daß die ganze Aktion sich einzig und
allein auf sie bezog. Dazu war es nicht mal nötig, ihnen auch nur einen Blick,
auch nur ein Zeichen des Erkennens zuzuwerfen. Was für eine Macht!
    Die anderen hingegen dachten, daß dieser Auftritt einem der Minister
oder einem der Botschafter galt. Möglicherweise sogar der Operndiva, die schon
so manchen Verehrer um den Verstand gebracht hatte. Nicht zuletzt bestand die
Möglichkeit, der Attentäter hätte es auf die Kunstwerke abgesehen. Das war
sicher die günstigste Interpretation, daß es sich um einen frustrierten
Künstler handelte, der sich zusammen mit Meisterwerken der klassischen Moderne
ins Nirwana bomben wollte. Zuvor aber hoffentlich seine Geiseln freiließ.
    Â»Was verlangen Sie?« fragte jemand. Und jemand anderer forderte:
»Lassen Sie uns gehen!«
    Â»Geduld, Herrschaften«, antwortete Fritz.
    Es war nun einer der Minister, der sich bedächtig auf Fritz
zubewegte und im jovialen Ton seiner Klasse und Herkunft meinte: »Das läßt sich
sicher irgendwie regeln, oder? Ohne daß hier jemand zu Schaden kommen muß. Ich
sehe doch, daß Sie ein vernünftiger Mensch sind.«
    Â»Wieso sehen Sie das? Ich habe eine Bombe in der Hand, und Sie
halten mich für einen vernünftigen Menschen?!«
    Der Minister lächelte in einer Weise, als drücke ein Männchen im
Inneren seiner Mundhöhle einen Expander auseinander. In sein Lächeln hinein
sprach er: »Ich wollte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß man mit Ihnen
reden kann. Erklären Sie mir, worum es geht, und ich werde mich bemühen, Ihnen
zu helfen.«
    Â»Sie helfen sich selbst, indem Sie mir nicht zu nahe kommen.«
    Â»Gott behüte!« sagte der Minister und hob entschuldigend die Hände.
»Aber Sie verstehen, ich will nicht schreien, wenn ich mich mit Ihnen
unterhalte.«
    Die Tür ging auf. Einige Leute flüchteten nach draußen.
    Â»Stopp!« rief Fritz, hielt die Bombe ein Stück höher und legte
seinen Finger auf einen Knopf. »Tür zu. Sofort. Das hier ist keine
Theatervorstellung, wo jeder gehen kann, wenn ihm das Stück nicht gefällt.«
    Der Minister gab einem seiner Leute ein Zeichen. Dieser ging an die
Türe, schloß sie und stellte sich breitbeinig davor.
    Â»So«, sagte der Minister. »Geht es um Geld? Geht es um Kunst? Ich
hoffe, es geht nicht um Politik.«
    Â»Tut es nicht.«
    Â»Mir fällt ein Stein vom Herzen. Über Geld und Kunst kann man reden,
nicht über Politik. Im kleinen Wirtshaus um die Ecke sowenig wie im
internationalen Geschäft.«
    Â»Aber Sie machen doch Politik, dachte ich.«
    Â»Das Machen ist kein Problem, darüber
reden, das ist die Schwierigkeit. – Sagen Sie, ist das eigentlich eine echte
Bombe? Ich will Sie nicht beleidigen, aber…«
    Â»Ich weiß, daß man das perfekter hinkriegen kann, allerdings dürfen
Sie mir glauben, das Ding funktioniert.«
    Â»Also gut. Wie lauten Ihre Forderungen?«
    Â»Da bin ich mir noch nicht ganz sicher.«
    Â»Wie soll ich das verstehen?«
    Â»Es geht um nichts, was Sie begreifen könnten«, sagte Fritz und
senkte die Bombe wieder, weil erstens jeder sie gesehen hatte und ihm zweitens
langsam der Arm weh tat. Er sagte: »Ich bin überzeugt, Sie waren noch nie in
einem Zustand solcher Verzweiflung und Wut, wie ich es gerade bin. Das gilt für
alle Attentäter, ob sie politische oder private Gründe haben, ob sie als
Gotteskrieger oder Krieger in eigener Sache unterwegs sind. Es sind immer die
Verzweiflung und die Wut. Es ist immer ein Zustand, in dem man nichts zu
verlieren hat.«
    Â»Sie haben wenigstens Ihre Ehre«, meinte der Politiker. »Zumindest,
wenn Sie jetzt die Bombe beiseite legen und sich ergeben. Ich werde berichten,
daß Sie ein höflicher, intelligenter Mensch sind. Und daß Sie nie ernsthaft
vorhatten, jemanden zu verletzen.«
    Â»Na, wenn Sie sich da mal nicht irren!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher