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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
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füllen oder mich von den Versprechungen der Museen leiten zu lassen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich streue die Objekte nicht einfach in
den Wind. Wenn ich von Geschenken spreche, dann meine
ich natürlich, daß ich nur Freunde beschenke, Häuser, denen meine Sympathie
gilt und die ich gerne beschenke. Aber es kümmert mich nicht, ob dieser
bestimmte Degas oder dieser bestimmte Manet wirklich hierher paßt, ob die
Öffentlichkeit es zu schätzen weiß oder nicht…denn wenn etwas richtig ist, meine Damen
und Herren, dann ist es richtig, selbst wenn niemand es bemerkt, und wenn etwas
falsch ist, dann nützt auch der größte Applaus nichts. Ich denke, es ist
richtig, was ich tue, ganz gleich, wie sehr einige Kritiker mein Handeln als
verantwortungslos und beliebig verurteilen. Doch bedenken Sie bitte, daß ich
mich jeglicher Anstrengung enthalte, meinen eigenen Namen bewahrt zu wissen,
ich enthalte mich somit der Peinlichkeit, meine eigene Person mit den von mir
gesammelten Werken zu verwechseln. Das Sammeln war mir eine Lust, und jetzt ist
die Lust eben zu Ende, und andere sollen ihren Spaß haben. Und das Wichtigste
an meinen Geschenken ist, sie kommen von Herzen und sind frei vom Anspruch auf
Gegenleistung. Nein, ich wäre nicht einmal böse, wenn man sie weiterschenkt.
Dies gehört ebenfalls dazu und muß nicht immer bedeuten, daß jemand zu faul
ist, selbst ein Geschenk zu besorgen.«
    Es gefiel Fritz, wie der alte Mann sprach. Er war ohne Pose, ohne
Koketterie, er meinte, was er sagte. Man sah ihm an – obgleich er nichts
Gebeugtes oder Kränkliches an sich hatte –, wie nahe er dem Tod stand. Es war
diese gewisse Leichtigkeit, mit der er redete, als stände er bereits zu
dreiviertel auf der anderen Seite. Es tat Fritz wirklich leid, daß er selbst,
am Ende dieses schönen Vortrags, dem Abend eine unerwartete Wendung geben
würde. Ja, er überlegte… Aber es war
nicht zu ändern. Es mußte getan werden. Hier und jetzt. Seine Rache duldete
keinen weiteren Aufschub. Außerdem: Diese Gefahr ergab sich sowieso immer, daß
nämlich freundliche ältere Herren im Wege standen.
    Â»Verehrte Anwesende«, schloß der Sammler, der zum Schenker geworden
war, seine Rede, »ein Kunstwerk wird dadurch wichtig, daß wir es als wichtig
erkennen. Das ist eine große Aufgabe und eine große Verantwortung. Und um noch
ein allerletztes Mal auf den Begriff der Sammlung zu sprechen zu kommen: Wie
gut eine Sammlung ist, sieht man erst, wenn sie aufgelöst wird. – Ich danke
Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Entsprechend der Stimmung des Abends folgte ein herzlicher, in
seiner Lautstärke jedoch moderater Applaus, keine von den wüsten Klatschereien,
bei denen unzählige Luftgeister zu Schaden kamen, keine Orgie der Ovation, die
weniger dem zu bejubelnden Objekt galt als der eigenen Fähigkeit zur
Leidenschaft. Applaus ist in der Regel nichts anderes als Sex, Gruppensex,
freilich autoerotischer Gruppensex. Das mochte auch hier der Fall sein, aber
eben sehr viel kontrollierter und würdiger als üblich.
    Der alte Mann trat hinter seinem Rednerpult hervor und ließ sich von
einem Minister in den Arm nehmen. Dann von der Operndiva. Dann wieder von einem
Minister.
    Â»Entschuldigung!« Fritz hatte sehr laut gesprochen. Und weil bisher
alles in einem gedämpften Ton abgelaufen war, schreckten sämtliche Anwesenden
zusammen. Das war gut so, denn Fritz hatte sofort die Aufmerksamkeit, die er
brauchte. Und welche noch zunahm, indem er aus der vergrößerten Innentasche
seines Jacketts einen Gegenstand hervorholte, ihn für alle sichtbar in die Höhe
hielt und etwas erklärte, was sich die Leute angesichts der verschiedenfarbigen
Drähte und des blinkenden Lichts und der seitlich fixierten zigarrenartigen
Stäbe auch von selbst denken konnten, es nämlich mit einer Bombe zu tun zu
haben, zumindest mit einem Gegenstand, der das Bild einer Bombe in
exemplarischer Weise erfüllte. Sofort näherten sich mehrere der anwesenden Sicherheitsleute.
    Â»Was soll das?« fragte Fritz sehr ruhig. »Wollen Sie, daß es sofort
vorbei ist?«
    Nun, das wollte niemand. Die Securityleute erstarrten. Jedermann
erstarrte. Aber der Schrecken und das Staunen von jedermann war bestimmt nichts im Vergleich zu dem Schrecken und dem Staunen, von dem
Sheila und ihr Primargatte erfaßt worden waren.
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