Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
unerfindlichen Gründen die Sonne ausgerechnet am Tag über den Himmel kroch, obgleich ihr Licht während der Nacht weitaus nützlicher gewesen wäre. Er kannte die üblichen Erklärungen, aber sie befriedigten seine Neugier nicht ganz. Mit anderen Worten: Mort gehörte zu jenen Leuten, die gefährlicher sind als ein Sack voller Klapperschlangen. Er war entschlossen, über die elementare Logik des Universums Aufschluß zu gewinnen.
    Was enorm schwierig sein mußte, weil es überhaupt keine gab. Der Schöpfer hatte einige bemerkenswert gute Ideen, als er die Scheibenwelt formte, doch Verständlichkeit stand nicht auf der Liste seiner Optionen.
    Tragische Helden stöhnen immer, wenn die Götter ihre Aufmerksamkeit auf sie richten. Doch wirklich arm dran sind diejenigen, die von den Göttern nicht beachtet werden.
    Mort hörte die wie üblich verärgert klingende Stimme seines Vaters. Er warf den Stein nach einer Taube, die ihm träge auswich, seufzte und kehrte über den Acker zurück.
     
    Einige Tage später machten sich Vater und Sohn auf den Weg: Am Silvesterabend verließen sie die Berge und reisten nach Schafrücken. Ein verdrießlich und mürrisch wirkender Esel trug den Sack, der Morts geringe Habe enthielt. Das Dorf bestand eigentlich nur aus einem kopfsteingepflasterten Platz, auf vier Seiten von Läden und Geschäften gesäumt, die alle notwendigen Dienstleistungen einer landwirtschaftlichen Gemeinschaft anboten.
    Nach fünf Minuten kam Mort aus der Stube des Schneiders und trug ein weites, braunes und undefinierbares Kleidungsstück, von dem sich der frühere Besitzer aus gutem Grund getrennt hatte. Es schien für einen neunzehnbeinigen Elefanten bestimmt zu sein und bot daher genug Platz, um hineinzuwachsen.
    Lezek musterte seinen Sohn kritisch.
    »Sehr hübsch, wenn man den Preis bedenkt«, behauptete er kühn.
    »Es kratzt«, sagte Mort. »Und ich glaube, ich bin hier drin nicht allein.«
    »Tausende von Jungen im ganzen Land wären überglücklich, ein so herrlich warmes«, – Lezek suchte nach den richtigen Worten –, »Gewand ihr eigen nennen zu können.«
    »Kann ich es einem von ihnen überlassen?« fragte Mort hoffnungsvoll.
    »Du mußt würdevoll aussehen«, sagte Lezek streng. »Du mußt einen guten Eindruck machen, aus der Menge ragen.«
    Letzteres fiel ihm bestimmt nicht sehr schwer. Vater und Sohn bahnten sich einen Weg durch das Gedränge auf dem Platz, und jeder von ihnen lauschte seinen eigenen Gedanken. Für gewöhnlich fand Mort großen Gefallen daran, den Ort zu besuchen. Er mochte die kosmopolitische, internationale Atmosphäre in Schafrücken und hörte gern die fremdartigen Dialekte von Leuten, die aus fünf oder sogar zehn Meilen entfernten Dörfern stammten. Diesmal aber entstand Unbehagen in ihm, und er hatte das ebenso seltsame wie unangenehme Gefühl, sich an etwas zu erinnern, das erst noch geschehen mußte.
    Der Gewerbemarkt schien auf folgende Weise zu funktionieren: Die nach Arbeit suchenden Männer warteten auf der Mitte des Platzes und bildeten eine lange Reihe. Die meisten von ihnen hatten Zeichen an den Hüten befestigt, um dem Rest der Welt ihren Beruf mitzuteilen: Schäfer trugen Wollstreifen, Fuhrleute ein Büschel aus Pferdehaar, Innenausstatter kleine Fetzen überaus interessanter Sackleinentapeten. Und so weiter und so fort.
    Wer sich einen Ausbildungsvertrag erhoffte, stand auf der mittwärtigen Seite des Platzes.
    »Gesell dich einfach zu den anderen!« schlug Lezek vor und fügte unsicher hinzu: »Dann kommt irgend jemand und bietet dir eine Lehrlingsstelle an. Wenn du einen guten Eindruck machst. Wenn du den Leuten gefällst. Wenn…« Er war plötzlich ziemlich sicher, daß er mit seinem Sohn nach Hause zurückkehren mußte.
    »Und wenn jemand an mich herantritt?« fragte Mort. »Was passiert dann?«
    »Nun…«, begann Lezek und brach ab. Über diesen Punkt hatte Hamesh geschwiegen. Er besann sich auf sein beschränktes Wissen über Märkte, das vor allen Dingen den Verkauf von Vieh betraf. »Ich nehme an, man zählt deine Zähne und so. Wahrscheinlich wollen sich die Interessenten vergewissern, daß du nicht niest und deine Füße in Ordnung sind. An deiner Stelle würde ich nicht darauf hinweisen, daß du lesen kannst. Damit könntest du eventuelle Lehrmeister beunruhigen.«
    »Und dann?«
    »Dann begleitest du deinen neuen Herrn und lernst ein Gewerbe«, sagte Lezek.
    »Was für eins?«
    »Nun… Das Zimmerhandwerk ist nicht übel«, erwiderte Lezek
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher