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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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Gewerkschaften in ihrer Gesamtheit nicht darauf eingehen?»
    «Eine ausgezeichnete Frage.» Pip stand im Eingangstor und nickte nachdenklich, bis ihm die Lösung einfiel. «Die OHA müßte dann verhindern, daß auch dringende Fälle in den Krankenhäusern behandelt werden.»
    «Aber, Mr. Chipps», rief jemand. «Ist das nicht die Mentalität von Flugzeugentführern? »
    Pip lächelte. «Stimmt. Flugzeugentführer sind heutzutage die einzigen Realpolitiker; sie wissen genau, was sie wollen, und sie kriegen es auch fast immer. Es ist nicht ihre Schuld, wenn sie drohen würden, Flugzeuge und ähnliches zu sprengen. Es ist die Schuld der modernen Zivilisation. Das Leben ist geradezu lächerlich kompliziert geworden. Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Jeder kann kriegen, was er will, wenn er nur weiß, wo er es zu suchen hat. Mit Hilfe eines ganz kleinen Schraubenschlüssels kann man Maschinen blockieren, und wer ein Boot zum Kentern bringt, hat die Hand auf der Ruderpinne», beschloß er seine Ausführungen, nicht ganz logisch. «Jetzt aber bitte ich Sie, mich zu entschuldigen, mein Streikkomitee erwartet mich im Ministerium. »

19

    Kurz vor zehn Uhr, am nächsten Morgen, einem strahlenden Junisamstag, der die schwärzeste Stunde der Nation seit Kriegsende mit einem trügerischen Glanz erfüllte, saß die Oberin des Bertram-Bunn-Traktes am Schreibtisch ihres überhitzten Stahl-und-Glas-Büros, dessen Klimaanlage ausgefallen war, und starrte grimmig auf die Titelseite eines Kolportageblattes.

    ALLES AUS - ODER: DAS LEICHENHAUS
    lautete die riesige, sprachlich wie immer unzulängliche Schlagzeile.
    Die Titelseite zeigte außerdem das Foto eines wilde Blicke schleudernden Pip mit hoch erhobenen geballten Fäusten — es war eine Aufnahme vom vergangenen Abend. In fetten Lettern gedruckt, lautete der begleitende Text:
    Der supermilitante Vertrauensmann Pip forderte gestern zum Generalstreik auf, um die Aktion der OHA gegen Privatpatienten und Drückeberger-Ärzte zu unterstützen. Sonst gäbe es nämlich eine bittere Alternative: OHA würde sogar dringende Fälle abweisen.
    Gewerkschaftsbosse bei der Galaeröffnung des Yorkshire-Multi-Millionen-Pfund-Arbeiterklubs - mit Champagner vom Faß und Doppel-Parallel-Striptease - erklärten, diese Aufforderung zum Generalstreik bedürfe «ernster Erwägung». Ein Sprecher der Regierung beschrieb die Situation als «äußerst heikel, wenn nicht gar verzweifelt». Das Pfund fiel über Nacht ins Bodenlose und England verlor binnen zweier Tage die Cricket-Weltmeisterschaft und die Wettervorhersage sagt Regen und Sturm voraus! Also Kopf hoch! England wird auch das verdammt gut überstehen!

    «Lächelnd ertragen», seufzte die Oberin in sich hinein. «Die große britische Tugend. Oder die große britische Dummheit?»
    Emotionen, so warm und verwickelt wie eine Portion Spaghetti, kämpften in ihrer Brust, während sie unentwegt auf die Titelseite des Blattes starrte. Sie konnte trotz allem nicht ein Gefühl des Stolzes darüber unterdrücken, daß ihr Neffe sich jetzt so sehr im Scheinwerferlicht des Ruhmes sonnte. Schließlich war bisher der Name noch keines einzigen Familienmitglieds in der Zeitung gestanden, sah man von Pips Mutter ab, die neben dem Pfarrer einmal im Wiveliscomber Sonntagsblättchen abgebildet gewesen war. Aber Pip wirkte geradezu erschreckend. Er glich einem nachsichtig geduldeten, spielerisch zerstörenden Hündchen, das nun plötzlich von Tollwut befallen worden
    war. Er mußte wirklich gebändigt werden, fand sie, wenn auch auf eine Art, die nicht verletzte. Die Oberin dachte angestrengt über das Schicksal anderer turbulenter Feuerköpfe nach. Wahrscheinlich endeten sie alle hinter den Sperrmauern des Flouse of Lords, aber Pip war dafür noch zu jung.
    Sie schlug die Zeitung auf. Die Emotionen unterhalb des streng geschnittenen Busens ihrer Uniform entwirrten sich auf der Stelle. Die Seite, auf die ihr Blick fiel, war von einer Fotografie von Sir Lancelot Spratts berühmtester Patientin ausgefullt - von ihrer oberen Hälfte übrigens, die den Beschauer gewinnend aus einer Badewanne des Ber-tram-Bunn-Traktes anlächelte, während sie sich zierlich mit einem Schwamm den Nacken wusch. Darunter stand zu lesen:

    STREIKBRECHERIN BRENDA
    Weltstar Brenda Bristols, seit Dienstag abend in der Privatabteilung des St. Swithin-Spitals durch Streik festgehalten, serviert Mahlzeiten, reinigt Fußböden, hilft den Schwestern - und niemand erhebt Einwände! Nach harter
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