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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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hinterm Moschus, ein Original, das hier den Deppen macht für die Fremden, die in ihrer Verkleidung vielleicht albern sein mögen, aber nicht geschmacklos.
    Danielas ehemaliger Parteifreund fragt nach Renate, mit Maßkrügen grüßt das Arztpaar vom Schlöglhof herüber — Prost Neujahr! — , eine Kellnerin bringt Keferloher, wie die Steinkrüge heißen, die das Schlechteinschenken begünstigen. Daniela und Lukas schlüpfen mit der Hand in den Henkel und grüßen zurück, bevor sie in den Schaum eintauchen und auf das Bier warten, das darunter fließt, gleich dem Gebirgsbach unter der Eisdecke, auch ähnlich kalt.
    Von der Blaskapelle massiv behindert, überlegt Lukas: Bevor ich diesem Moschusrettichgeplauder lausche, red’ ich entweder selber oder entschuldige mich mal...
    Der Weg hinaus führt am Gastgeber vorbei. Wie ein Schlagbaum steht er im Gedränge. Lieb mustern die wasserblauen Äujelschen den Gast und er weist ihm den kürzesten Weg, durch die Tür in den oberen Flur, den Söller, zu seinem privaten Bad.
    Der Gast ohne Bedürfnis sperrt ab, läßt Wasser rauschen und sieht sich um in der holzverkleideten Sanitärzelle.
    Spontaner Eindruck: Nicht im Gebrauch! Aber gut gemacht, ohne Schnickschnack. Keine goldenen Armaturen, keine Rundwanne, kein Marmorbidet. Und endlich Ruhe!
    Wieder drückt der Gast den Wasserfallauslöser, setzt sich auf den geschlossenen Deckel der Exportschale und schaut auf die Uhr.
    Jetzt ungefähr kommt Detlef zu Renate in die Wohnung. Erste Aussprache am neutralen Ort. Neutral? Mich hat Daniela ihr ausgeredet — behauptet sie. Mein Charakter biete hervorragende Ansatzpunkte. Hoffentlich halten die Sterne, was sie sich von ihnen verspricht...
    Die Türklinke neigt sich. Sofort räumt der Bedürfnislose die Anlage. Vor der Tür wendet sich eine Dirndldame brüsk ab, als habe er ihr den Deckel unstatthafterweise vorgewärmt. Dafür gucken ihn die wasserblauen Äujelschen um so freundlicher an. Von Lukas’ Interesse für dat Bäuerlische will er gehört haben, — Grund genug, ihm sein Schlafzimmer zu zeigen.
    Auch hier kein Schnickschnack. Stilecht, bis zur totalen Ungemütlichkeit. Vor dem kurzen, bemalten Himmelbett kommt’s zum treuherzigen Geständnis: „Sie werden lachen, isch han noch nie hier übernachtet! Isch liebe dat Landleben. Aber wenn’s dunkel wird, brauch isch die Stadt.“
    An der Tür zum städtischen Landfest flüstert ein einheimisches Dirndl ihrem Chef die Nachricht ins Ohr, die Konrad Lissem sofort ins Rheinische übersetzt. „Wat is? Der Messnerhof is am Brennen?“
    Es dauert Sekunden, bis Lukas der Emotion Herr wird, um Entscheidungen zu treffen. Daniela aus dem Geschwätz befreien, sie am Bühlhof absetzen, von wo sie die Wohnung zu erreichen versuchen soll, was dauern kann, wegen dem Auftragsdienst, und weiter, um zu retten, was noch zu retten ist. Schon vor den letzten Kurven sieht er die Rauchsäule überm Wald. Hier hat es geregnet, die schimmernden Tropfen verstärken den Kontrast. Zu retten gibt es nichts mehr. Einem Würfel Kohleanzünder vergleichbar, steht die Kontur des Messnerhofs hinter geschlossener Feuerwand. Die Garage mit der Gedenktafel haben die Flammen verschont. Feuerwehrmänner, unter ihnen die drei vom Riedhof, wirken in ihrem vergeblichen Bemühen wie sehr gute Clowns. In weitem Umkreis stehen Bauern, jung und alt, schicksalsergeben. Es kommt, wie’s kommt, und auf’m Messnerhof ist halt kein Segen.
    Brandstiftung? Brandstiftung des Unbewußten, ausgelöst durch Renates überstürzten Aufbruch...?
    Vom Regen begleitet, fährt er zurück.
    Das Bild des brennenden Hofs verfolgt ihn und sperrt Gedanken. Warum bellt Bella?
    Er schaut um die Ecke, der Roßstall steht offen. Danielas Wagen fehlt, nachdenklich, doch nicht beunruhigt, schließt er die Hoftür auf. Bella wedelt, in der Küche liegt ein Zettel: Bin bei Ellen!
    Das ist jetzt, nach allem, ungewöhnlich. Er ruft dort an, Daniela meldet sich. Grade kommt der Arzt. Alles weitere später. Lukas wählt weiter. Er muß Gewißheit haben. In seiner Wohnung meldet sich niemand. Bei Georgia meldet sich die Mutter. Es tut ihr leid, ihre Tochter ist auf einem wichtigen Cocktail, hätte sich bestimmt gefreut. Nein, ihr Schwiegersohn war nicht da. Auf Geschäftsreise, soviel ihr bekannt sei.
    Mit dem Rad fährt er zum Pacherhof. Alois kommt aus dem Stall. Er weiß es schon.
    „Zuerst soll Rauch überm Hof g’wesen sein und g’stunken soll’s haben, wie wenn einer Plastik verbrennt
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