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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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die Fernsehbäuerin, hat er im Sender erreicht. In zwei Wagen sind sie hinaus ins Dorf zum Unterwirt gefahren, wo der Maxi abends sitzt und der Bürgermeister. Sie haben den Ablauf festgelegt; der Bürgermeister will für alpenländische Ehrenpreise sorgen, die schottischen Siegern überreicht werden sollen, Schnupftabakflaschen, Enzian, Krüge mit Deckel. Nebenan am Stammtisch gab’s das Neueste vom ländlichen Nachrichtendienst: Ein Vermessungstrupp war da. Im Wald hinter dem Pacherhof soll ausgeholzt und eine Mülldeponie angelegt werden. Mit Zubringer zur neuen Straße.
    Spät ist Lukas in die Stadt zurückgefahren. Im Bühlhof brannte noch Licht. Vom Bühlhof hatte es angerufen, wie der Auftragsdienst meldete. Eine Nachricht sei nicht hinterlassen worden.
    Die Quadratur dauert an. Werde nicht zurückrufen! Daniela versteht mich. Detlef kämpft wohl noch. Sonst wüßte Georgia, daß ich hier bin, das unkomplizierte Wesen. Nein. Niemand sehen! Ruhe. Mülldeponie im Wald? Hat die Natur auch eine Quadratur? Merkwürdig, im Augenblick gar keine Einstellung zum Zu-Haus...
    In drei Tagen waren alle Termine erledigt, neue Pflichten nicht schwer zu finden. Geräusche im und ums Haus ignorierend, hat Lukas gezeichnet, an vernachlässigte Freunde in Schottland geschrieben und ans Finanzamt. Von Serag und Pixie ist eine Karte gekommen. Vornedrauf ihr Adam-House, hinten Grüße und eine Menge Unterschriften. Alle hoffen auf baldiges Wiedersehn.
    Restaurantverdrossen, dabei kochfaul, gab’s wie gestern Spaghetti mit Knoblauch und Speck, stehend aus der Pfanne, weil spülmüde.
    Plötzlich Klingeln an der Tür.
    Georgia! Ich muß ja nicht da sein. Und wenn was passiert ist? Ein Telegramm...
    Rasches Türöffnen gibt der Luft Drall. Die Knoblauchaura entfaltet ihr volles Bouquet. Trotz gestoppter Atmung.
    Renate! Und mit Koffer! Ach du lieber Gott...
    „Schau nicht so entsetzt, Lukas. Oder erwartest du jemand?“
    „Oh bitte nein. Ich bin nur leicht überrascht.“
    Immerhin schaut sie nicht dramatisch, sondern lächelt, und der Koffer hat dem Gewicht nach nichts Endgültiges. Auch will sie keinen Kuß, spitzt nicht den Mund, schnuppert vielmehr belustigt und meint, er lebe wohl sehr gesund. Ganz die Renate des heiteren Eros, wenn auch ungewohnt städtisch gekleidet.
    „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten“, sagt sie.
    Also doch Komplikationen!
    „Ich möchte mit dir tauschen.“
    Sie kann mich doch nicht auf den Messnerhof schicken! Was soll denn das?
    „Ich möchte ein paar Tage hierbleiben. Mich erholen. Keinen Bauernhof sehen.“
    War’s doch richtig so!
    Sein Aufatmen muß deutlich ausgefallen sein. Er überspielt’s mit Höflichkeit. „Laß uns einen Tee trinken.“
    Sie schüttelt ihr dunkles Haar. „Dann fangen wir nur zu reden an. Am liebsten wär mir’s, du würdest gleich losfahren. Daniela erwartet dich.“
    Lukas möchte sie in den Arm nehmen. Doch das sähe nach Entschuldigung aus, oder könnte das junge Gleichgewicht stören. Er nickt nur und wird mit erfreulicher Nachricht belohnt. „Ihr seid auf dem Egidihof eingeladen. Den mußt du gesehen haben!“
    Ohne Berührung packt er zusammen, breitet sie sich aus, legt ihr Nachthemd auf sein ungeglättetes Bett. Beidhändig tragend ist sein letztes Wort an der Tür das Kennwort zum Abfragen des Fernsprechauftragsdienstes: Daniela.

    Seit sieben Jahren feiert Konrad Lissem, Besitzer einer Ladenkette im Rheinland — was man hört, wenn er spricht — und alpenländischer Brauchtumsjeck — was man nicht für möglich hält, wenn er spricht — , auf seinem weithin als denkmalreif bekannten Egidihof, noch vor der österlichen Touristenspringflut, sein Frühlingsfest. Die Gästeschar, eine starke Hundertschaft, setzt sich aus zugezogenen Hofbesitzern der näheren, Zugereisten der weiteren Umgebung und Angereisten von weit her zusammen, die sich mit den paar Einheimischen in Einheimischkeit messen, beziehungsweise in dem, was sie dafür halten.
    So hat’s ihm Daniela erklärt. Deswegen meiden sie Trachtenanklang. Sie trägt Strickjacke, Bluse und Schottenrock — Hunting Stewart — , Lukas Schilfleinenhose, offenes Hemd, darüber seine Strickweste. Ab vier soll’s losgehen, auf fünf fahren sie hinüber. Renate ist noch in der Stadt.
    Buben winken sie zum Parken in eine Wiese, just neben einen blankpolierten, englischen Geländewagen, in dessen Heck eine Golftasche lehnt.
    Die Bauernresidenz thront auf einem Hügel. Schon unten ist die Blaskapelle
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