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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Bossong
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Mädchenfinger, mit denen Fanny sich an ihrer zu weiten Stoffhose festhielt.
    Ihr Vater steigert sich in etwas hinein, sagte Fanny. Ich dachte zuerst, es sei nur ein Spleen, aber er hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Ich weiß nicht, warum er Ihre Firma derart hasst. Er erzählt mir von Geschäften, über die ich nichts wissen will. Ich kann nicht einmal sagen, was davon der Wahrheit entspricht. Und ich will es auch nicht. Die Firma geht mich nichts an. Das ist Ihre Angelegenheit.
    Luise zuckte die Schultern. Hören Sie ihm zu, oder lassen Sie es bleiben. Ich dränge Sie ganz sicher nicht, sich weiter um meinen Vater zu kümmern.
    Aber er drängt mich, antwortete Fanny.
    Was wollen Sie damit sagen? Dass er Ihnen Geld gibt?
    Er kümmert sich um mich, das ist alles, er bezahlt mich nicht.
    Luise musterte Fanny, ihr kaputtes Haar, ihre spröden Lippen, auf denen Lipgloss glänzte. Für Luise bestand das Problem nicht in der Geschichte, die Kurt erzählte, sondern darin, dass diese Frau überhaupt in seine Nähe kam.
    Luise, ich verstehe von diesen Angelegenheiten nichts, wiederholte Fanny, als könnte Luise Zweifel daran haben, dabei hatte sie an diesem Punkt ganz sicher keine. Ich möchte davon nichts verstehen, fügte Fanny hinzu. Ich wollte Ihnen sagen, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich länger bei Ihrem Vater bleiben kann.
    Ob das ihr einziges Problem sei, fragte Luise.
    Sehen Sie denn nicht, worum es Ihrem Vater geht?, fragte Fanny.
    Was bitte schön verstehen denn Sie von meinem Vater?, entgegnete Luise. Bilden Sie sich nicht ein, begreifen zu können, wer wir sind.
    Luise erhob sich, winkte dem Ober zum Zahlen. Diese Frau, die mit ihren schlecht blondierten Haaren vor ihr saß, in einem ausgewaschenen Pullover (fruit of the loom, fünfzehn Jahre alt), so jemand hatte nicht über ihren Vater zu urteilen, nicht über Luise und schon gar nicht über das Verhältnis zwischen ihr und ihm. Luise hatte sie nicht aufgesucht. Für sie existierte Fanny nur als Störfaktor, mit derlei hielt sie sich nicht auf.
     
    Luise? Sie sind schon da? Fanny erhob sich vom Sofa, der Bademantel verrutschte ein wenig, gab den Blick auf ihr Dekolleté frei, dünn, fast durchscheinend war sie, und ihre Bewegungen zitterten von zu viel Diet Coke. Ich habe nicht mit Ihnen gerechnet, heute.
    Und ich habe nicht mit Ihnen gerechnet, entgegnete Luise.
    Sie sah den weichen Stoff, die ausgebeulten Taschen, die abgeschabten Ärmelsäume, die zeigten, dass der Mantel häufig getragen war.
    Sie sollten zu Ihrem Vater gehen, sagte Fanny. Das wäre gut. Wenn ich auch nicht weiß – sie stockte, klopfte mit den Nägeln gegen die Getränkedose – ich glaube nicht, dass es gut für Sie ist, hier zu sein.
    Kurz blickte Fanny zu Boden, und dann, ohne Luise noch einmal anzusehen, wandte sie sich wieder dem Fernseher zu, in dem eine Reportage über ein Ehepaar von der Westküste lief, Bob und Erin, die ihr baufälliges Haus verlassen mussten, weil sie seit Monaten zahlungsunfähig waren.
    Kiesbert von Weiden sah nicht von den Unterlagen auf, als Luise das Arbeitszimmer betrat, vielleicht hielt er sie für einen der beiden Polizisten, vielleicht nahm er sie, so unauffällig, wie sie gekommen war, nicht ernst. Ein wenig gelbstichig war er, wie eine Figur auf einem schlecht eingestellten Bildschirm. Luise setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, Kiesbert hob seinen Blick und erschrak.
    Sie sind –? Entschuldigen Sie, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie schon hier sind. Herr Tietjen ist ja erst vor wenigen Stunden –, verteidigte er sich hilflos gegen ihre plötzliche Anwesenheit. Kiesbert hatte sich in den letzten Monaten so sehr in die Dokumente vertieft, dass er offensichtlich aufgehört hatte, an etwas außerhalb davon zu glauben. Kurt hatte ihn, wie Luise wusste, zu seinem Nachlassverwalter bestimmt, als könnte sie nicht selbst entscheiden, von wem sie ihr Erbe verwalten lassen wollte. Luise aber hatte es längst entschieden, sie würde sich ihren eigenen Vermögensverwalter suchen. Falls sie ihr Erbe herunterwirtschaften sollte, wollte sie wenigstens dafür verantwortlich sein und von Weiden saß vergebens in dem schmalen, staubigen Zimmer über die Akten gebeugt, die Luise ihm im Laufe des Tages entziehen würde.
    Luise, es tut mir leid, sagte Kiesbert, doch es klang nicht, als bezöge er sich auf ihren Vater. Er blickte an ihr vorbei und errötete.
    Es muss Ihnen nicht leidtun.
    Luise, wissen Sie – nein, genau genommen wissen Sie
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