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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel
Autoren: Michael Köhlmeier
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heißt das, es besaß über den abstrakten Begriff hinaus einen Namen.
    Der Name des Aufruhrs war Ea.
    Ea stellte sich Apsu entgegen. Und Ea tötete Apsu.
    Wie hat er das gemacht? Es ist, als ob allein schon die Frage Ea eine Form gibt, nämlich eine menschliche Form.
    Ea hat seinen Säbel genommen und hat ihn mit so ungeheurer Geschwindigkeit über dem Kopf gedreht, daß er auf diese Weise den Regen wie mit einem Schirm abgehalten hat. Ea hat seinen Vater Apsu kastriert, und Apsu ist verblutet. Das wiederum erinnert uns an die griechische Mythologie, an den Titanen Kronos, der seinen Vater Uranus, nämlich den Himmel, kastrierte.
    Tiamat war nun voll Zorn und Trauer. Sie überschwemmte und zerschmetterte Ea. Aber Ea, der Aufruhr, hatte einen Sohn, er hatte ihn gezeugt mit dem Haß, und dieser Sohn hat nun schon bedeutend konkretere Züge.
    Dieser Sohn heißt Marduk, und er verkörperte den Krieg. Wenn ich sage, er hatte konkretere Züge, so heißt das, er hatte nicht nur einen Namen, sondern auch ein Gesicht, menschliche Züge. Marduk besaß sogar zwei Gesichter, eines vorne und eines hinten. Das vorne zeigte einen Mann, das hinten eine Frau. Vier Augen, vier Ohren. Marduk sah alles, hörte alles.
    Marduk, der Krieg, rüstete zum Kampf gegen Tiamat. Er warb unter den Wesen, die in der Welt herumschwirrten, er scharte viele um sich. Aber auch Tiamat rüstete zum Kampf, auch sie versammelte Wesen um sich. So entstanden zwei Heere. Alles, was war, teilte sich auf, die einen waren für Marduk, die anderen für Tiamat.
    Es kam zum Kampf. Im Lied heißt es, Marduk habe sich vorher eine rote Paste auf die Lippen geschmiert. Er hat sich geschminkt, hat sich unheimlich gemacht, um Tiamat Angst einzujagen. Und er hat sich Kräuter um die Handgelenke gewickelt, um sich vor Gift zu schützen. Ein König war er, ein General. Um sein Haupt loderte eine Flammenkrone. Seine Offiziere waren die sieben Winde, mit ihrer Hilfe wollte er das Meer aufwühlen.
    Tiamat, die Urmutter, dagegen war mit Pfeil und Bogen ausgerüstet, sie brauste in einem prachtvoll geschmückten Kampfwagen daher.
    Zuerst beschimpften sie einander und verfluchten sich. Dann kam es zum Kampf. Die Heere mischten sich. Marduk, der Krieg, war stärker als Tiamat, die Urmutter. Marduk warf sein Netz über sie und rang sie nieder. Er knebelte Tiamat, bis sie sich nicht mehr rühren konnte. Dann beugte er sich über sie und blies ihr in die Nase, so heftig, daß ihre Gedärme zerrissen und ihr Bauch aufplatzte. So verendete Tiamat.
    Dann spickte Marduk den Leib der Urmutter mit seinen Pfeilen, fesselte die Leiche und schnitt sie der Länge nach entzwei. Die eine Hälfte hob er nach oben und hielt so die Wasser des Himmels zurück. Die andere senkte er nach unten und hielt so die Wasser der Erde zurück. Und so führte er die Trennung von oberem Wasser und unterem Wasser noch einmal aus, diesmal nach seiner Maßgabe. Aber auch Marduk war im Kampf verletzt worden, und auch er starb.
    Ich sagte, Marduk und Tiamat haben vor dem Krieg all diese irrlichternden Wesen, diese wesenhaften Ideen, um sich geschart und aufgeteilt in zwei Heere. Sie alle, sagte ich, haben an diesem Krieg teilgenommen, entweder auf der Seite Marduks oder auf der Seite Tiamats. Das war nicht ganz richtig.
    Es gab ein Wesen, dieses Wesen repräsentierte die Idee der Zeit, und dieses Wesen, eben weil es die Zeit repräsentierte und sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart als auch Zukunft war und deshalb voraussah, daß der Krieg mit der Vernichtung oder Beschädigung aller enden wird, deshalb beteiligte sich dieses Wesen nicht an diesem Krieg.
    Dieses Wesen hat ebenfalls eine Entsprechung in der griechischen Mythologie, nämlich Prometheus. Auch Prometheus beteiligte sich nicht am ersten Krieg, dem Krieg der Titanen gegen die Götter. Er, der Voraussehende, repräsentierte die Idee der Zeit, auch er wußte, wie dieser Krieg enden wird.
    Die Zeit also stand abseits und sah zu, wie die anderen stritten. Da flogen die Späne, da spritzte das Blut, und um nichts abzubekommen, um sich nicht zu beschmutzen, hob dieses Wesen den Unterarm vor das Gesicht, und sein Unterarm wurde beschmutzt vom Blut der Kämpfenden.
    Als der Krieg zu Ende war, waren alle Wesen entweder ausgelöscht oder verwundet – bis auf eines, und dieses eine Wesen war die Zeit, und sie gab sich einen Namen und nannte sich Jahwe, das heißt Ich-bin-der-ich-Bin oder Ich-bin-Da.
    Wir sagen: Gott.
    Der Geist Gottes, so heißt es am Beginn der
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