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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
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und ärgerte sich gewaltig, und alle Glieder taten ihr weh. »Ich bin der Hausfrau doch
     nicht mit meinem Schwanz ins Gesicht gefahren, wie sie gescholten hat«, sagte die Katze immer |19| wieder zu sich. »Wer kann das bloß gewesen sein?« Da fiel ihr ein, wie sie erst eine Maus piepen gehört, dann aber gemeint
     hatte, es habe nur ein Stuhl geknarrt. Vielleicht war es doch eine Maus, die mir diesen Streich gespielt hat, dachte sie.
     Ich will doch einmal im ganzen Hause nachsehen, ob ich eine Spur von ihr finde.
    Damit ging sie auf sachten Sammetpfoten los und ließ ihre großen, grünen Augen leuchten wie Laternen, daß sie trotz der dunklen
     Nacht alles sehen konnte. Sie sah um jede Ecke und roch unter jeden Schrank, und als sie unter den Küchenschrank roch, sprach
     sie: »Ich finde, hier riecht es mäusisch. Ach, wie gut riecht das doch! Komm heraus, kleine Maus, wir wollen zusammen tanzen!«
     Aber die Maus hörte die böse Katze nicht, Wackelohr schlief fest in seinem Loch und träumte vom Mäuserich.
    So ging die Katze betrübt weiter, als nichts auf ihre falschen Lockreden kam, und gelangte in die Speisekammer. In der Speisekammer
     aber war ein großes Getriebe und Gelaufe von vielen tausend Ameisen, die jede ihr Stück von dem roten Bonbon abbeißen wollte.
     Da machte die Katze ihre Stimme grob und schalt: »Was ist denn das hier für ein Gelaufe und Geschmatze mitten in der ruhigen
     Nacht, wo doch alles schlafen soll! Gleich macht ihr Räuber, daß ihr fortkommt!«
    Die Ameisen aber hatten keine Angst vor der Katze, denn die Katzen fressen keine Ameisen, weil die Ameisen sauer schmecken,
     und die Katzen lieben das Süße. Das wissen die Ameisen. »Hihi!« riefen sie darum. »Hihi! Du alte, große Katze! Du läufst ja
     auch mitten in der Nacht herum, statt zu schlafen, da dürfen wir es auch wohl tun!«
    »Bei mir ist das eine andere Sache«, sprach die Katze streng. »Ich bin vom Hausherrn als Nachtwächter bestellt, daß sich keine
     Diebe einschleichen. Was ist denn das für ein roter Bonbon, in den ich euch da beißen sehe? Mir scheint, der ist gestohlen.«
    |20| »Hihi!« rief die kluge Ameise. »Der Bonbon gehört mir, den habe ich für einen guten Rat bekommen.«
    »Der Bonbon gehört auf den Nachttisch der Hausfrau«, sprach die Katze noch strenger. »Gleich sagst du mir, wer ihn dir gegeben
     hat, sonst nehme ich ihn dir weg. Wenn du mir aber die Wahrheit sagst, sollst du ihn behalten dürfen.«
    Da wurde es der klugen Ameise um den schönen Bonbon angst, und sie verriet das Mäusecken und erzählte alles, was sie wußte.
     Die Katze aber wurde ganz aufgeregt, denn sie verstand nun, daß es das Mäusecken war, dem sie die Prügel zu verdanken hatte,
     und sie war sehr eifrig, die Ameise auszufragen. »Weißt du denn gar nicht, Ameise«, fragte sie schließlich, »wo das Mäusecken
     sein Loch hat?«
    »Nein, das weiß ich nicht«, antwortete die Ameise. »Aber wir Ameisen können überallhin kommen, und nichts bleibt uns verborgen,
     außer was in der Luft schwebt oder im Wasser schwimmt. Ich will alle meine Schwestern ausschicken, so werden wir das Loch
     schon finden.«
    Das geschah. Alle Ameisen wurden ausgeschickt, und schon nach einer kurzen Weile kam eine zurück und meldete, daß die Maus
     unter dem Küchenschrank in einem Loch liege und schlafe. »Das dachte ich mir«, sprach die Katze. »Da roch es vorhin schon
     so mäusisch.« Sie begaben sich also zum Küchenschrank, aber sosehr sich die Katze auch mühte, streckte und dünn machte: Der
     Spalt zwischen Schrank und Boden war zu eng, sie konnte nicht darunterkommen.
    »Was machen wir nun?« fragte die Katze ärgerlich. »Krie gen muß ich die Maus, und sollte ich einen ganzen Topf meiner süßen Schleckermilch dafür geben!«
    »Läßt du uns alle morgen früh von deiner süßen Schleckermilch trinken«, sprach die kluge Ameise, »so wüßte ich schon einen
     guten Rat.« Da versprach die Katze dies der Ameise hoch und teuer, und so sagte die Ameise: »Wir wollen eine meiner Schwestern
     schicken, damit sie das Mäusecken |21| ins Ohr beißt. So wird es einen Schreck bekommen, hervorlaufen, und du hast es!«
    Wie gesagt, so getan. Die Ameise wurde ausgeschickt, die Katze aber setzte sich sprungbereit vor den Schrank und ließ ihre
     Augen mit voller Kraft leuchten, damit es auch hell genug wäre und sie die Maus gleich sähe. Sie warteten – eine Minute –
     zwei Minuten – drei Minuten, sie warteten noch länger –
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