Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
es nicht einmal an und redete nie mit ihm. Fand es aber einmal einen schönen langen Regenwurm oder
     einen fetten Engerling, gleich nahmen ihm die andern den Bissen fort und sprachen: »Wozu brauchst du so fett zu fressen? Du
     kannst ja nicht einmal gewöhnliche Eier legen, geschweige denn goldene und silberne wie wir! Mach, daß du fortkommst, Nichtsnutz!«
    Darüber wurde das Huhn immer verzweifelter, nichts freute es mehr im Leben, es saß trübsinnig in der Ecke und sprach zu sich:
     »Puttputtputt, ich wollte, ich wäre tot. Zu nichts bin ich nutze. Der stolze bunte Hahn, den ich so sehr liebe, schaut mich
     nicht an, und soviel ich auch drücke, es kommt kein einziges Ei aus meinem Leibe. Puttputtputt, ich bin ein rechtes Unglückshuhn.«
    Der großmächtige Zauberer hörte, daß das Huhn so klagte, und er tröstete es und sprach: »Warte nur, was aus dir noch werden
     wird! Deine Schwestern können wohl goldene und silberne Eier legen, dich aber habe ich zu einem noch viel besseren Werke aufgehoben.
     Aus dir wird man noch einmal eine Suppe kochen, die Tote lebendig macht.«
    Diese Worte des Zauberers hörte seine Haushälterin, ein kleines böses Fräulein, das die Hexerei erlernen wollte, und |25| sie dachte bei sich: Eine Suppe, die Tote lebendig macht, ist eine schöne Sache, damit könnte ich viel Geld verdienen.
    Als nun der großmächtige Zauberer zu Besuch bei einem andern Zauberer über Land gefahren war, fing sie das Unglückshuhn, schlachtete
     es, rupfte und sengte es, nahm es aus und tat es in einen Kochtopf, um die Lebenssuppe aus ihm zu kochen. Als das Wasser aber
     zu brodeln und zu singen anfing, klang das der Hexe grade so, als riefe das tote Huhn im Kochtopf: Puttputtputt, ich Unglückshuhn!
     Puttputtputt, ich Unglückshuhn!
    Da bekam die Hexe einen großen Schreck, sie tat alles vom Feuer, holte sich Messer, Gabel und Löffel und machte sich daran,
     das Huhn schnell aufzuessen. Denn sie dachte in ihrer Dummheit, wenn sie das Huhn erst im Leibe hätte, würde es nicht mehr
     rufen können, und so würde der Zauberer nichts von ihrer Untat erfahren.
    Derweilen saß der Zauberer mit seinem Freund in dessen Stube, und weil sie sich alles erzählt hatten, was sie wußten, fingen
     sie an, sich aus Langerweile einander ihre Zauberkunststücke zu zeigen. »Was hast du denn da in der Nase?« fragte der eine
     und zog dem andern einen Wurm aus dem Nasenloch. Der Wurm wurde immer länger und länger. »Nein, was hast du bloß für Zeugs
     in der Nase«, sagte der Zauberer. »Du solltest sie doch einmal ordentlich ausschnauben!« Und er warf den Wurm, der einen guten
     Meter lang war, zum Fenster hinaus.
    »Und du?« fragte der andere Zauberer, »du wäschst dir wohl nie die Ohren? Wahrhaftig, da gehen schon die Radieschen auf! Sieh
     doch!« Und er griff ihm ins Ohr und brachte eine Handvoll Radieschen hervor. Danach eine dicke gelbe Rübe und zum Schluß gar
     eine grüne Gurke, die noch länger war als der Wurm.
    »Nun laß es aber genug sein«, sagte der andere und hustete. Und von dem Husten flog das ganze Gemüse vom Tisch und einem auf
     der Straße vorübergehenden Weibe in |26| den Korb. Das meinte, heute schneie es Radieschen, regne Gurken und hagele Rüben, und fing vor Schreck an zu laufen, daß seine
     Röcke flogen. Die beiden Zauberer aber lachten, bis ihnen die Bäuche wackelten.
    »Jetzt will ich dir etwas zeigen, was du nicht kannst«, sagte der fremde Zauberer. Er zog seine Jacke aus, guckte in den Ärmel
     und sprach: »Durch diesen Ärmel kann ich überallhin und durch alle Wände gucken.«
    »Wenn du das kannst«, sprach der großmächtige Zauberer, »so sage mir, was du in meiner Stube siehst.«
    »In deiner Stube«, sprach der andere Zauberer, »sitzt ein Fräulein am Tisch, hat eine Schüssel mit Suppe vor sich und nagt
     an einem Hühnerbein.«
    »Was?!« schrie der Zauberer im höchsten Zorn. »Hat sie gar das Huhn geschlachtet, aus dem ich die Lebenssuppe kochen will?!
     Da muß ich eiligst fort!«
    Und er schlug dreimal auf seinen Stuhl. Da verwandelte sich der Stuhl in einen riesigen Adler, flog mit ihm aus der Stube
     und rauschte mit solcher Schnelligkeit durch die Luft, daß kaum eine Minute vergangen war, da war der Zauberer schon bei der
     kleinen Hexe.
    Die ließ vor Angst das abgenagte Hühnerbein aus der Hand fallen, weinte und schrie: »Ich will es auch gewiß nicht wieder tun!«
     Aber das half ihr nichts. Sondern der Zauberer ergriff eine kleine Flasche,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher