Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
die auf seinem Waschtisch stand, gebot: »Fahre
     hinein!« Und sofort wurde das Hexlein ganz klein und fuhr wie ein Rauch in die Flasche.
    Der Zauberer stöpselte die Flasche gut zu, hing sie dem Adler um und sprach: »Nun fliege wieder heim, mein guter Adler, sonst
     fehlt meinem Freund ja der Stuhl. Und sage ihm, er soll dieses kleine Hexlein ja nicht herauslassen, es stiftet nur Unfug.
     Wenn er aber wissen will, wie das Wetter wird, soll er das Hexlein in der Flasche ansehen. Hat es den Mund zu, bleibt das
     Wetter gut; streckt es aber die Zunge heraus, wird’s Regen.«
    |27| »Rrrrrummmm!« sagte der Adler, flog ab und tat, wie ihm befohlen.
    Der Zauberer aber ging durch Haus und Hof und suchte alles zusammen, was das Hexlein von dem Huhn weggeworfen hatte: die Federn
     vom Dunghaufen, die Eingeweide aus dem Schweineeimer und den Kopf aus dem Kehricht. Nur das Fleisch von dem einen Bein blieb
     fehlen, das war aufgegessen und nicht wiederzubekommen. »Macht auch nichts«, sagte der Zauberer, legte alles schön zusammen
     und sprach einen Zauberspruch. Schwupp! stand das Huhn da! Nur fiel es gleich wieder um, weil ihm ein Bein fehlte.
    »Macht auch nichts«, sagte der Zauberer und schickte zu einem gelehrten Goldschmied. Der verfertigte mit all seiner Kunst
     ein goldenes Hühnerbein und setzte es dem Huhn so künstlich ein, daß es damit gehen konnte, als sei es aus Fleisch und Knochen.
    Das gefiel dem Huhn nicht übel, das Bein blinkerte und glänzte herrlich wie nicht einmal die Federn vom stolzen bunten Hahn
     und klapperte so schön auf dem Stubenboden, wenn es lief, als gackerten zehn Hühner nach dem Eierlegen.
    Wie aber ward dem Huhn, als es mit seinem Goldbein vergnügt und stolz auf den Hof hinausklapperte! »Falsch bein ! – Hinkepot!« riefen die beiden Hühner, die goldene und silberne Eier legen konnten, höhnisch. »Du altes Klapperbein!« Und
     sie jagten das Huhn mit Schnabelstößen und Krallenkratzen so lange herum, bis es vor Angst auf einen Baum flatterte. Am schlimmsten
     aber hackte und kratzte der stolze bunte Hahn. »Hier darf nur einer glänzen, und der bin ich!« rief er böse und hackte, daß
     die Federn flogen.
    Nun saß das arme Huhn verängstigt auf seinem Baum und klagte bei sich: »Puttputtputt, ich Unglückshuhn! Ich dachte, nun würde
     es besser werden, nachdem ich so viel ausgestanden habe, aber jetzt ist es ganz schlimm geworden. Ach Gott, wär ich bloß tot!«
    |28| Indem erspähte eine diebische Elster, daß in dem Baum etwas glitzerte und blinkte, dachte, es gebe was zu stehlen, flog hinzu
     und wollte dem Huhn das Goldbein abreißen. Dazu war sie aber zu schwach, flog also, als sie dies sah, fort und rief Hunderte
     von ihren Schwestern zusammen, die alle ebenso wild auf Glänzendes waren wie sie.
    Da fielen alle Elstern mit spitzen Schnabelhieben über das Huhn her, die Federn stoben in alle Winde, und es gab ein entsetzliches
     Gezeter und Gezanke, weil jede Elster gern das Goldbein gehabt hätte. Das Huhn aber stürzte wie tot vom Baum, dem großmächtigen
     Zauberer grade vor die Füße; denn er kam aus seinem Zimmer gegangen, zu sehen, was denn das für ein höllischer Spektakel sei.
    Der Zauberer sah das Huhn betrübt an, denn es war keine Feder mehr auf ihm, und die Haut war auch zerfetzt, und er sprach:
     »Du hast es freilich schlimm, du armes Unglückshuhn. Aber warte nur und halte aus. Du sollst sehen, wenn erst die Lebenssuppe
     aus dir gekocht wird, wirst du so berühmt und geehrt wie kein Huhn vor dir!«
    Damit trug er das Huhn ins Haus. Weil aber der Wind alle Federn fortgetragen hatte, schickte er zu einem geschickten Silberschmied
     und ließ dem Huhn eine künstliche Silberhaut machen. Die blinkerte und glänzerte so schön, daß es eine wahre Freude war. Dazu
     klapperte das Goldbein wie frohes Hühnergegacker.
    Da wurde das Unglückshuhn froh und stolz und ging hinaus auf den Hof, sich den andern Hühnern zu zeigen. Die andern beiden
     Hühner kamen mitsamt dem stolzen Hahn eilends herbeigelaufen, zu sehen, was denn das für ein Geglänze und Geglitzer sei. Als
     sie aber sahen, es war bloß das Unglückshuhn, und merkten, kein Schnabelhieb ging durch die feste Silberhaut, da sagten sie
     verächtlich: »Nein, dieses elende Huhn! Es hat ja nicht einmal Federn an, es ist ganz nackt – mit einer solchen Person wollen
     wir nichts zu tun haben!« Und der stolze bunte Hahn krähte |29| wütend: »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich allein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher