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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
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nichts mehr ausrichten konnten, daß aber das Unglückshuhn einen diamantenen Schnabel hatte, schärfer
     als ein Messer, da sprachen sie wütend: »Das ist doch höchst ungerecht! Wir legen dem Zauberer alle Tage ein goldenes und
     ein silbernes Ei, und für uns tut er gar nichts. Aber diese faule Nichtsnutzige schmückt er, als sei sie Kaiserin aller Hühner.
     Nein, nun wollen wir tun, als sähen wir sie gar nicht, und nie mehr ein Wort mit ihr sprechen.«
    Und der Hahn war erst recht wütend, denn sein stolzes buntes Kleid sah neben Silberhaut, Goldbein und Diamantkopf |34| des Unglückshuhns blaß und schäbig aus, und er sprach zornig zu dem Unglückshuhn: »Sprechen Sie mich bloß nicht an, Sie aufgedonnerte
     Person! Der Wurm krümmt sich mir im Magen, wenn ich solch eitles Geprahle sehe! Mit Ihnen rede ich überhaupt kein Wort mehr!«
    Da war das Unglückshuhn ebenso allein und traurig wie vorher. Kümmerlich saß es in den Ecken herum und seufzte: »Ach, spräche
     doch einmal ein nettes Huhn ein paar freundliche Tucktuck mit mir. Ach, sähe mich doch einmal der stolze bunte Hahn liebevoll
     an! Ach, könnte ich doch einmal ein ganz gewöhnliches Hühnerei legen! Puttputtputt, ich bin ein rechtes Unglückshuhn!«
    Unterdessen war das Hexlein weiter über Land geflogen, bis es zu dem kaiserlichen Palast kam. Da saß die Tochter des Kaisers
     am Fenster und stickte. Das Hexlein sah sie sitzen und merkte, wie schön und lieblich sie war, und es dachte in seinem bösen
     Herzen: Das wäre doch das größte Unheil, das ich anrichten könnte, wenn ich des Kaisers Tochter krank machte. Flugs verwandelte
     sich das Hexlein in ein Marienkäferchen und setzte sich auf den Stickrahmen der Kaiserstochter.
    Die sah das Marienkäferchen und sprach: »Liebes Käferchen, flieg weiter auf ein grünes Blatt. Hier auf meinem Stickrahmen
     steche ich dich noch mit der Nadel.«
    Als sie aber beim Sprechen den Mund aufmachte, flog ihr das Marienkäferchen direkt in den Mund hinein. Davon, weil das Hexlein
     so giftig und böse war, wurde die Prinzessin auf der Stelle todsterbenskrank. Sie sank von ihrem Stuhl und war so weiß wie
     ein Laken auf der Bleiche.
    Da ließ ihr Vater, der Kaiser, alle Ärzte zusammenrufen. Und sie klopften und horchten an der Prinzessin herum, sie gaben
     ihr süße und sauere und bittere Medizinen, sie machten ihr trockene Umschläge und packten sie in nasse Tücher, sie ließen
     sie schlafen und weckten sie wieder auf, sie gaben ihr zu essen und verboten ihr alles Essen, sie |35| machten ihr Zimmer dunkel und trugen sie dann wieder in die Sonne, sie maßen Fieber und zählten ihr den Puls – kurz, sie taten
     alles, was die Ärzte nur tun können. Bloß auf das eine rieten sie nicht, daß die Prinzessin ein Marienkäferchen verschluckt
     hatte, das eine böse Hexe war.
    Darüber wurde die Prinzessin kränker und kränker, und es ging mit ihr bis nahe an den Tod. Ihr Vater, der Kaiser, geriet in
     große Sorge, und er ließ im ganzen Lande bekanntmachen, wer seine Tochter von ihrer Krankheit heile, solle die Hälfte seines
     Königreichs bekommen.
    Viele kamen darauf herbeigeeilt, aber keiner konnte der Prinzessin helfen. Da wurde der Kaiser zornig und sprach: »Ihr seid
     ja alle Betrüger! Ihr wollt nur gut essen und trinken in meinem kaiserlichen Palaste, meine Tochter aber macht ihr nicht gesund.
     Wer jetzt kommt und macht sie doch nicht gesund, dem lasse ich als einem Betrüger den Kopf abhauen.«
    Nun kam keiner mehr, denn davor hatten sie alle Angst. Eines Tages aber trat der Torwächter doch wieder vor den Kaiser und
     sprach: »Herr Kaiser, drunten steht einer, hat ein silberhäutiges Huhn mit einem Goldbein und einem Diamantkopf unter dem
     Arm und sagt, er kann Ihre Tochter gesund machen.«
    »Torwächter«, fragte der Kaiser, »hast du ihm auch gesagt, daß ich ihm den Kopf abschlagen lasse, wenn er die Prinzessin nicht
     gesund macht?«
    »Das habe ich ihm gesagt«, sprach der Torwächter.
    »So schicke ihn herauf!« gebot der Kaiser.
    Also kam der Mann herauf in die kaiserliche Halle, wo die Prinzessin sterbenskrank auf einem Bette lag, und es war der großmächtige
     Zauberer mit seinem Unglückshuhn. »Erlaubet, Herr Kaiser«, sprach der Zauberer, »daß ich hier vor den Augen der Prinzessin
     aus diesem Huhn eine Suppe koche. Das ist eine Lebenssuppe, und wenn die Prinzessin davon ißt, wird sie wieder gesund.«
    |36| »Man mache hier ein Feuer«, gebot der Kaiser, »und bringe
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