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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
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einen Kochtopf mit Wasser. – Du weißt aber, wenn es dir nicht gelingt,
     lasse ich dir den Kopf abschlagen?«
    »Es gelingt mir«, sprach der Zauberer und warf das Unglückshuhn in den Topf.
    Als das Huhn eine Weile gekocht hatte, fragte der Kaiser, der ungeduldig war, seine Tochter wieder gesund zu sehen: »Riecht
     die Lebenssuppe schon?«
    »Nein«, sprach einer von seinen Leuten, die dabeistanden und zusahen.
    »Wie sieht sie denn aus?« fragte der Kaiser.
    »Wie klares Wasser«, wurde ihm geantwortet.
    »Was tut denn das Huhn?« fragte der Kaiser wieder.
    »Es sitzt im Wasser und spricht: Puttputtputt, ich Unglückshuhn!«
    »So macht stärkeres Feuer unter dem Topf!« gebot der Kaiser. »Dieses Huhn muß wohl auf gewaltigem Feuer gekocht werden.«
    Sie taten es, und nach einer Weile erkundigte sich der Kaiser von neuem. Aber alles war unverändert: Die Suppe roch nicht,
     war wasserklar, und das Huhn saß darin wie in einem Bad und sprach nur: »Puttputtputt, ich Unglückshuhn!«
    Noch einmal wurde stärkeres Feuer gemacht, aber alles blieb, wie es war. Da runzelte der Kaiser die Stirne fürchterlich und
     fragte den Zauberer: »Nun, was ist dies, du Mann? Wird das eine Suppe oder bleibt es Wasser?«
    Der Zauberer sprach zitternd: »Mächtiger Kaiser, ich gestehe, ich habe einen großen Fehler gemacht. Diesem Huhn wurde von
     seinen Feinden sehr nachgestellt, und so habe ich ihm ein Goldbein, eine Silberhaut und einen Diamantkopf gegeben, daß niemand
     ihm noch etwas zuleide tun kann. Aber ich habe dabei nicht bedacht, daß man Silber, Gold und Diamant nicht kochen kann. Wir
     könnten dieses Unglückshuhn wohl noch drei Jahre auf dem Feuer |37| haben, das Wasser würde Wasser bleiben und keine Suppe werden.«
    »So kannst du also die Lebenssuppe nicht kochen?« fragte der Kaiser zornig.
    »Nein«, antwortete der Zauberer betrübt.
    »So muß ich dir den Kopf abschlagen lassen«, sprach der Kaiser. »Denn ich habe mein kaiserliches Wort darauf gegeben.«
    Damit winkte er einem seiner Soldaten, der sofort den Säbel zog. Der Zauberer sah betrübt darein und dachte: Schade, nun muß
     ich also sterben.
    Die Hexe aber, in der Prinzessin Kehle, wollte gerne sehen, wie ihrem Feind, dem großmächtigen Zauberer, der Kopf abgehauen
     wurde. Sie kroch also aus dem Munde der Prinzessin und setzte sich auf die Lippe, um bequem zuzuschauen. Da sah sie der Zauberer,
     und mit seinen Zaubereraugen erkannte er, daß dies kein Marienkäferchen war, sondern ein verwandeltes Hexlein. Er rief mit
     lauter Stimme zu dem Unglückshuhn im Kochtopf: »Pick auf! Pick auf!«
    Da flatterte das Unglückshuhn aus dem Topf und pickte das Marienkäferchen und zermalmte es in seinem diamantenen Schnabel.
     Im selben Augenblick war die Prinzessin wieder so gesund und schön und lieblich, wie sie gewesen.
    Der Kaiser aber gebot dem Soldaten, wieder seinen Säbel einzustecken, zu dem Zauberer aber sprach er: »Du hast zwar die Lebenssuppe
     nicht kochen können, aber dein Huhn hat meiner Tochter das Leben gerettet. Darum sollst du auch dein Leben behalten und die
     Hälfte meines Reiches bekommen.«
    Der Zauberer freute sich gewaltig, und zum Dank schenkte er der Prinzessin das Unglückshuhn. Das durfte nun im kaiserlichen
     Schlosse wohnen und bekam jeden Tag Weizen auf goldenen und Regenwürmer auf silbernen Tellern zu fressen. Ging es aber einmal
     spazieren, so schritten zehn stolze bunte Hähne voraus und zehn an jeder Seite, |38| und zehn Hähne gingen hinterher. Und alle vierzig Hähne kikeriten aus voller Kraft und riefen: »Platz da! Aus dem Wege! Hier
     kommt das Huhn der kaiserlichen Prinzessin, das Huhn aller Hühner, das Glückshuhn!«
    Das Huhn aber sprach bei sich: »Ach, wenn mich doch meine Schwestern und der stolze bunte Hahn vom Hofe des Zauberers sehen
     könnten! Aber sie sind nicht hier, und so macht es mir auch keinen Spaß. Puttputtputt, ich bin ein rechtes Unglückshuhn!«

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    |39| Geschichte vom verkehrten Tag
    Als die Mummi am frühen Morgen aufwachte, sah sie, daß der Pappa noch schlief. Er hatte die Steppdecke fein säuberlich vor
     das Bett gelegt und sich mit dem Bettvorleger zugedeckt. »O weh!« seufzte da die Mummi, »dies wird wohl wieder solch schlimmer
     Tag, an dem alles verkehrt geht. Da muß ich gleich einmal sehen, was die Kinder machen.«
    Sie ging ins Zimmer vom Schwesterchen; es schlief noch, aber es hatte die Füße auf dem Kopfkissen und den Kopf unter der Decke.
     Als die Mummi es
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