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Geschichten aus der Murkelei

Titel: Geschichten aus der Murkelei
Autoren: Hans Fallada
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dunkle Erde. Und nun kamen sie den Sternen immer
     näher, sie wurden größer und groß und funkelten und strahlten unbeschreiblich.
    Da waren sie im Monde angelangt, das heißt, in Frau Wendels Suppenterrine, die vom Fliegen so ausgeweitet war, daß alle bequem
     darin Platz hatten.
    »Oje, die ist aber nicht sehr fest angemacht!« rief Uli, denn die Terrine wackelte, als er hineintrat. Da sahen sie genauer
     hin und merkten, die Terrine hing in einem großen, leuchtenden Netz von weißen Strahlen.
    »Ich will schaukeln!« rief das Schwesterchen, und schon fingen Uli und Schwesterchen an, in der Terrine zu schaukeln, und
     die andern schaukelten mit. Und sie schwangen herrlich durch den ungeheuren Himmel, und einmal waren sie nahe der Erde und
     dem Städtchen Feldberg und dem Haussee, und dann waren sie wieder unendlich weit fort, ganz allein zwischen den strahlenden
     Sternen.
    »Nicht so toll!« mahnte die Mummi. »Ihr stoßt ja an die Sterne.«
    Aber sie schaukelten immer wilder und wilder und stießen einen Stern um und einen zweiten und einen dritten und viele, viele.
     Die umgestoßenen Sterne aber fielen leuchtend durch den Himmel und verschwanden ferne in der Nacht.
    »Haltet ein! Haltet ein!« rief die Mummi angstvoll. »Herr Heuer soll uns festhalten!«
    |45| Aber da rissen die silbernen Strahlen, an denen die Schüssel hing, und alle zusammen – Uli und Schwesterchen, Miezi und Herr
     Heuer, Pappa und Mummi, Frau Wendel und Tante Palitzsch, der Schimmel und die Schüssel – fielen, fielen, fielen in den Haussee.
    »I gitt, ist das naß!« rief die Mummi und machte die Augen auf. Da war es früher Morgen, und Uli stand vor ihrem Bett, seinen
     nassen Waschlappen in der Hand, und sagte: »Nun wird es aber Zeit, daß du aufwachst, Mummi. Habe ich dich nicht schön naß
     aufgeweckt?«
    »Gott sei Dank!« sagte Mummi. »Es war alles bloß ein Traum! Das ist nur gut. Der Tag war mir ein bißchen zu verkehrt.«

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    |46| Geschichte vom getreuen Igel
    Es war einmal ein Mann von der Stadt aufs Land gezogen, der kannte die Igel noch nicht und wußte nicht, was sie für getreue
     Gesellen sind. Als der nun eines Abends zur Dämmerung in seinem Garten spazierenging, hörte er unter den Büschen etwas rascheln,
     und als er genauer hinsah, schien da ein graues spitzes Osterei auf kurzen Beinen einherzutorkeln.
    »Höre mal, was willst du denn hier? Dies ist mein Garten!« rief er, aber das spitze Osterei huschte geschwind in ein Erbsenbeet
     und ließ sich an diesem Abend nicht wieder sehen.
    Das nächste Mal war der Mann beim Himbeerpflücken. Da wackelten die dichtstehenden Himbeeren, und ehe sich der Mann versah,
     war etwas Graues, Spitzes über den Weg gelaufen und zwischen den Spargelbeeten verschwunden.
    »Nun schlägt es aber dreizehn!« sprach der Mann. »Das sah ja genau wie ein klimperkleines Wildschwein aus! Sollte ich Schweine
     in meinem Garten haben? Das wäre doch unerhört!« Und er ging den Zaun ab, der um Haus und Hof und Garten lief, aber der Drahtzaun
     war neu und gut und kein Loch darin zu finden. »Es ist unerhört!« schrie der Mann noch einmal. »Ich füttere in meinem Garten
     keine wilden Tiere!«
    Als der Mann an diesem Abend, es war schon fast dunkel, aus dem Haus in den Garten trat, sah er auf dem Rasen etwas Rundes,
     Weißes stehen. Und in das Runde, Weiße reichte etwas spitznäsig Schwarzes und fraß. »Du glaubst es nicht!« seufzte der Mann
     aus der Stadt empört, »nun frißt |47| der fremde Bursche noch meinem guten Hunde Lümmel das Futter weg!« Und er ging schnell, den Hund Lümmel zu rufen. Als er mit
     dem aber zurückkam, war der fremde Gast schon fort, und der Futternapf war leergeschleckt.
    »Das gefällt mir aber auf dem Lande gar nicht«, seufzte da der Mann. »In der Stadt habe ich höchstens einmal eine Maus in
     der Speisekammer. Hier auf dem Lande aber stehlen die Tauben Erbsen, und die Hühner scharren die Beete auf. Die Stare picken
     die Kirschen, die Frösche fressen die Erdbeeren und die Wespen die Birnen. Maden sitzen in den Himbeeren, Raupen nagen am
     Kohl, und Würmer fressen mir die Kartoffeln. So viel Ungeziefer, daß ich es gar nicht sagen kann, muß ich in meinem Garten
     miternähren – und nun will ein fremder Bursche, der wie ein spitzes Osterei aussieht, auch noch meinem Lümmel die Schüssel
     leerfressen? Nein, das dulde ich nicht!«
    Und er ging und suchte, wo er das fremde Tier fände, aber soviel er auch suchte, er fand es nicht.
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