Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
bloß hin?
    Da
seid
ihr ja, ihr kleinen Scheißer … ja, kommt zu Mama …
    »No-Doze. Damit Sie wach bleiben. Ideal für Prüfungsvorbereitungen, lange Nächte, zum Autofahren usw. Jede Tablette enthält 50 mg Koffein.«
    Auf dem Sideboard in der Küche mache ich mich kichernd wie eine Sniefnase auf einer Londoner Nachtclubtoilette ans Zerstoßen, Zerstampfen und Zermahlen.
    Das weiße Pulver platzt und funkelt im Kaffeemehl, als ich es mit kochendem Wasser übergieße.
    »Safeway, kolumbianischer Kaffee, filterfertig gemahlen:
auf unnatürliche Weise rekoffeiniert

    Das
ist doch noch Kaffee. Vielleicht ein klitzekleines bißchen bitter, aber echter Kaffee und keine »Erdbeermilde« oder »Nessel- und-Kamille-Ptisane«. Und du willst ernsthaft behaupten, ich wäre auf den Kopf gefallen, Jane? Ha! Na warte, bis ich dir
das
heute abend erzähle! Ich habe Paul Newman in
Ein Fall für Harper
übertroffen. Der hat bloß eine alte Filtertüte recycelt, hab ich recht?
    Viertel vor zehn. Tutorium um elf. Keine Panik. Geruhsam stakse ich mit dem Becher in der Hand ins Gästezimmer. Der hab ich’s aber gezeigt, Mann!
    Der Apple ist kalt. Die olle Meckerziege blökt nicht mehr. Wer weiß, wann ich mich wieder dazu herablasse, dich einzuschalten, Maccie Thatcher?
    Und daneben, auf dem Schreibtisch, sauber aufgeschichtet in all seiner Pracht und obszönen Dicke:
Das Meisterwerk
höchstpersönlich.
    Ich wahre gebührenden Abstand und verrenke mir nur von weitem den Hals; die glorreiche Titelseite darf von keinem noch so winzigen Kaffeefleck verunziert werden.
     
    Von Braunau nach Wien:
    Die Wurzeln der Macht.
     
    Michael Young, MA MPhil
     
    Platz da, jetzt komm ich! Vier Jahre. Vier Jahre und zweihunderttausend Worte. Da steht die blöde Tastatur, so plastifiziert stumm, so komisch nichtssagend.
    QWERTZUIOPÜASDFGHJKLÖÄYXCVBNM1234567890!
    Mehr stand mir nicht zur Verfügung. Nur diese zehn Ziffern, sechsundzwanzig Buchstaben (plus Umlaute für deutsche Zitate), die sich zu zweihunderttausend Worten permutieren ließen. Außerdem hier ein Komma und da ein Semikolon. Aber ein Sechstel meines Lebens, ein volles
Sechstel
meines Lebens lang, beim großen schönen Buddha, hat mich diese Tastatur wie ein Krake umklammert.
    Dann wolln wir mal! Einmal strecken, und die Morgengymnastik wäre auch geschafft. Ich stöhne vor Behagen und gehe in die Küche zurück. Die 150 Milligramm Koffein sind abgezischt wie eine Rakete und mit voller Sprengkraft im Hirn detoniert. Jetzt bin ich wach. Putzmunter.
    Jawohl, jetzt bin ich wach. Und auf alles gefaßt.
    Gefaßt auf das irgendwie veränderte Badezimmer.
    Gefaßt auf einen Zettel, der zwischen der übriggebliebenen Käserinde und der leeren Weinflasche von gestern abend auf dem Küchentisch liegt.
    Gefaßt auf den Grund, warum ich nicht um Punkt acht Uhr wach war wie geplant.
    Machen wir uns doch nichts vor, Pup. Wir passen nicht zueinander. Ich rufe im Lauf des Tages wegen meiner restlichen Sachen an. Dann können wir auch besprechen, wieviel ich Dir für das Auto schulde. Herzlichen Glückwunsch zur Dissertation. Wenn du etwas Abstand gewonnen hast, wirst du mir zustimmen. J.
    Schon während der obligaten Phasen von Schock, Wut und Gebrüll fällt mir ein kleiner Stein vom Herzen, zumindest macht sich das Bewußtsein breit, daß diese elegante kleine Notiz definitiv auf einen kleineren und unbedeutenderen Gefühlsbereich zugreift als vorhin der fehlende Kaffee oder die Möglichkeit, sie habe mich absichtlich verschlafen lassen, oder am meisten jetzt ihre lässige, arrogante Annahme, sie würde
mein
Auto bekommen.
    Der Zornausbruch soll dann nur noch die Form wahren und macht Jane nachgerade ein Kompliment. Das Zerschmeißen der Weinflasche – der Weinflasche zur Feier des Tages, die ich am Vorabend so sorgfältig bei Oddbins ausgesucht hatte, der Châteauneuf du Pape, auf den ich ein Sechstel meines Lebens hingearbeitet hatte – ist lediglich eine Geste, das erforderliche theatralische Einverständnis, daß das Ende von drei gemeinsamen Jahren wenigstens etwas Lärm und Spektakel verdient hat.
    Wenn sie ihre »restlichen Sachen« abholt, wird sie die elegant geschwungene Spur roten Sediments an der Wand entdecken, ihre Plattfüße werden über die knirschenden Scherben laufen, und sie wird voller Genugtuung glauben müssen, es machte mir etwas aus, und damit hat’s sich dann.Jane&Michael sind nicht mehr, und jetzt ist Jane hier und Michael ist dort, und Michael ist zu guter Letzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher