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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen Fry
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jemand geworden. Mit John Lennons Worten, jemand in seiner eigenen Schreibe.
    Also.
    Als ich im Arbeitszimmer stehe und nach dem
Meisterwerk
greife, es abwäge und behutsam in meine Aktentasche schieben will, bekomme ich plötzlich Stielaugen wie Roger Rabbit, schreie auf und glotze einen kleinen Fleck auf der Titelseite an. Er ist dort wie das Melanom eines alten Surfers aus heiterem Himmel aufgetaucht, während des kurzen Augenblicks, wo ich mich in der Küche mit Weinflaschenschmeißen vergnügt habe. Ein Kaffeefleck ist es ganz bestimmt nicht, vielleicht also bloß ein Papierfehler, der nur in der hellen Maisonne überhaupt sichtbar wird. Keine Zeit, den Computer booten zu lassen und die Seite noch einmal auszudrucken, also schnapp ich mir ein Fläschchen Tippex, betupfe die freche Sommersprosse mit der Pinselspitze und blase sie sanft trocken.
    Ich nehme das Blatt zwischen die Fingerspitzen, trete vor die Haustür und halte es in die Sonne. Kaum was zu sehen. Alles in Butter.
    Neben dem Telegrafenmast ist die Parklücke, wo der Renault stehen sollte.
    »Blöde Schnepfe!«
    O je. Schlechter Zug.
    »’tschuldigung!«
    Das kleine Zeitungsmädchen schert aus und rast davon, beugt sich über den Lenker und erinnert sich an jede einzelne Schreckensmeldung, die es je auf den Titelseiten der Zeitungen gesehen hat, die es allmorgendlich auf den Fußmatten verteilt. Das sag ich meiner Mami.
    Ach du meine Güte. Laß ihr lieber einen Vorsprung, sonst glaubt sie noch, du wärst hinter ihr her, und dann bist du bei ihr erst recht unten durch. Ich weiß nicht, wofür wir überhaupteine Tageszeitung brauchen. Jane ist ein Zeitungsjunkie, das ist es. Wir bekommen sogar die ›Cambridge Evening News‹ im Abonnement. Jeden Nachmittag. Also mal ehrlich: tut das not?
    Ich gehe ums Haus und hole das Fahrrad aus dem Durchgang. Ich mag das Surren der Räder. Mann, ich bin jung. Ich bin frei. Ich habe frisch geputzte Zähne. In meinen guten alten Schulranzen schmiegt sich eine Zukunft. Schmiegt sich
die
Zukunft. Die Sonne scheint. Zur Hölle mit allem anderen.

Frühstück machen
    Der Gestank der Ratten
     
    Alois schwang sich in den Sattel, schob den Rucksack über den Schultern zurecht, trat rhythmisch in die Pedale und fuhr den Hügel hinauf. Die grünen Streifen seiner Uniformhose und der goldene Adler an seinem Helm blitzten in der Sonne. Klara sah ihm nach und fragte sich, warum er sich nie in den Pedalen aufstellte, um mehr Schwung zu bekommen, so wie Kinder das machen. Bei ihm war es stets derselbe, absolut mechanische, beängstigend regelmäßige und zielstrebig ruhige Vorgang.
    Sie war um fünf aufgestanden, hatte den Ofen angeheizt und den Küchentisch gescheuert, bevor das Dienstmädchen erwachte. Sie hatte immer das Bedürfnis, die Glassplitter zusammenzuklauben und die Weinflecken und klebrigen Schnapslachen wegzuwischen. Als hoffte sie, der Anblick eines sauberen Tisches werde Alois vergessen lassen, wieviel er am Vorabend getrunken hatte. Außerdem sollten die Kinder die Überreste der »häuslichen Abende« des Vaters nicht zu Gesicht bekommen.
    Als Anna, das Dienstmädchen, um sechs aufstand, rümpfte es wie immer die Nase, als es den sauberen Tisch sah, und hinter Alois’ Rücken, der vor dem Ofen seine Stiefel wienerte, schien die gerümpfte Nase Klara sagen zu wollen: »Ich kenne dich. Wir sind uns gleich. Auch du hast als Dienstmädchen angefangen. Du warst nicht einmal Hausangestellte, sondern nur Küchenmagd. Und im Grunde deines Herzens bist du das heute noch und wirst es immer bleiben.«
    Wie immer hatte Klara ihrem Gatten beim Polieren zugesehen und war eifersüchtig auf die Uniform, der er soviel Liebe, Hingabe und Stolz entgegenbrachte. Vom Hin und Her der Bürste auf dem Leder eingelullt, hatte sie sich wieimmer nach Spital zurückgesehnt, nach ihrem Heimatdorf mit seinen Feldern, Milcheimern und dem Silagegeruch, nach ihren Brüdern und Schwestern und deren Kindern, weit weg von dem Ansehen, der Förmlichkeit und Brutalität von Onkel Alois, den Uniformen und Menschen, deren Gespräche und Umgangsformen sie nicht verstand.
    Onkel Alois! Er hatte ihr doch verboten, ihn je wieder so zu nennen.
    »Ich bin nicht dein Onkel, Mädchen. Allenfalls ein angeheirateter Vetter. Nenn mich ja nicht Onkel. Haben wir uns verstanden?« Aber in ihren Selbstgesprächen war die Gewohnheit stärker. Für sie war er seit frühester Kindheit Onkel Alois, und das würde er auch immer bleiben.
    Er hatte am Vorabend nicht mehr
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