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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands
Autoren: Benedikt Stuchtey
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1120 Todesopfern unter Zivilisten noch zu – und auch die politische Desillusionierung wuchs. Bestrebungen, die verschiedenen Parteien wie die Official Unionists und die Social Democratic and Labour Party an einen Verhandlungstisch zu bringen, scheiterten immer wieder. Auch die Versuche, einen Friedensplan zu entwerfen und einen Waffenstillstand zu erwirken, an denen die nordirischen Parteien und die Londoner und DublinerRegierungen beteiligt werden sollten, standen unter keinem guten Stern, solange die britische Justiz Fehlurteile traf wie im Prozess gegen die «Birmingham Six». Dieser Gruppe irischer Verdächtiger wurde ein Anschlag vom Herbst 1974 mit 21 Toten vorgeworfen. Weil ihre Geständnisse nachweislich erpresst worden waren, kamen sie 1991 wieder frei.
    Auch die «Ulsterisierung» war nur bedingt erfolgreich: Nordirland sollte selber für seine Sicherheit sorgen, die britische Armee im Hintergrund agieren und gezielt Terroranschläge verhindern. Das gelang nicht. Die Regierung Thatcher war noch nicht lange im Amt, da erschütterten IRA-Anschläge wie der im August 1979 auf Earl Mountbatten, ein Mitglied der königlichen Familie, die Öffentlichkeit. Währenddessen konzentrierte sich Sinn Féin auf das Ziel eines vereinten, sozialistischen und gälischen Irlands. Nicht säkularisiert, aber auch nicht mehr dezidiert katholisch, suchten die Partei wie die Bewegung hinter ihr, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu erlangen. Aktionen wie Hungerstreiks und das Beharren darauf, dass IRA-Gefangene den Sonderstatus von politischen Häftlingen erhielten und nicht wie gewöhnliche Kriminelle zu behandeln seien, sorgten für weltweite Sympathiekundgebungen. Als Bobby Sands, einer der prominentesten Häftlinge in der Belfaster Strafanstalt Maze, nach 66 Tagen Hungerstreik im Mai 1981 starb, kam es im ganzen Land zu massiven Ausschreitungen, und auf britische Immobilien in kontinentaleuropäischen Städten wurden Bombenanschläge verübt.
    Die nordirische Bevölkerung, durch unzählige zivile Opfer im besten Fall indifferent geworden, änderte infolge der Hungerstreiks ihre Einstellung zur IRA, und Sinn Féin etablierte sich als radikal-republikanische Vertretung der katholischen Minderheit. Obwohl Margaret Thatcher während des Parteitags der Konservativen Partei in Brighton im Oktober 1984 nur knapp einem IRA-Attentat entging, blieb sie bei ihrer Politik, die Republik Irland intensiver in den Verhandlungsprozess zu integrieren. Das Anglo-Irish Agreement von Hillsborough aus dem Jahr 1985, mit dem die Einrichtung einer ständigen Sicherheitskonferenz zwischen London und Dublin vereinbart wurde, wardabei der wichtigste Schritt. Dringlich strebten die Briten eine politische Lösung an, zumal Nordirland wirtschaftlich ohnehin längst ein reines Zuschussgeschäft geworden war. Die IRA ließ sich indessen nicht beirren. Immer wieder verübte sie Anschläge mit vielen Toten aus. Offenkundig kaufte sie ihre Waffen vom libyschen Diktator Gaddafi.
    Aber auch die Unionisten bewegten sich nicht. Ian Paisleys berühmter Schwur «Never, never, never» stammt aus dieser Zeit: Erstens sollten Katholiken in Ulster keinesfalls politisch mitsprechen dürfen; zweitens könne es niemals eine Wiedervereinigung von Republik und Nordirland geben; drittens dürfe es zu keinen Verhandlungen mit den Terroristen der IRA kommen. Als Chef der Democratic Ulster Party und Führer der von ihm gegründeten Freien Presbyterianischen Kirche von Ulster verkörperte Paisley den verhärteten Standpunkt absoluter Unnachgiebigkeit. In seinen Augen war der Papst ein «Anti-Christ», selbst die moderaten Vermittlungsbemühungen des britischen Premierministers John Major verunglimpfte er.
    Doch letztlich sollte diese Position Paisleys und seiner Zeitgenossen, die in den 30 Jahren Bürgerkrieg seit 1969 bei 16.200 Bombenanschlägen für über 3500 Todesopfer und 47.000 Verletzte mitverantwortlich wurde, sich leerlaufen. 1998 mündete der lang ersehnte und mühsam errungene Friedensprozess in das Karfreitagsabkommen zwischen den gemäßigten Unionisten unter David Trimble und den gemäßigten Nationalisten unter John Hume. Dafür erhielten beide gemeinsam den Friedensnobelpreis.
    Vorbereitet wurde der Friedensprozess – durch die Beteiligung des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton längst internationalisiert
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