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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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proletarischen Vorstadt umspült. Tausende Arbeiter gingen an den Kasernen vorbei, unter ihnen nicht wenige unermüdliche Agitatoren des Bolschewismus. Vor den schmutzigen, verhaßten Mauern fanden fast ununterbrochen fliegende Meetings statt. Am 22. Juni, bevor noch die durch die Offensive hervorgerufenen patriotischen Manifestationen erloschen waren, tauchte auf dem Sampsonjewski-Prospekt unvorsichtigerweise ein Automobil des Exekutivkomitees mit Plakaten auf: "Vorwärts für Kerenski." Das Moskauer Regiment nahm die Agitatoren fest, zerriß die Aufrufe und schickte das patriotische Automobil zum Maschinengewehrregiment.
    Die Soldaten waren überhaupt ungeduldiger als die Arbeiter: sowohl, weil ihnen unmittelbare Entsendung an die Front drohte, als auch, weil sie Erwägungen politischer Strategie viel schwerer zugänglich waren. Außerdem hatte jeder in der Hand eine Flinte, und nach dem Februar neigte der Soldat dazu, deren selbständige Macht zu überschätzen. Ein alter Arbeiterbolschewik, Lisdin, erzählte später, wie die Soldaten des 180. Reserveregiments ihm sagten: "Was schlafen die Unseren dort im Kschessinskaja-Palais, gehen wir doch, Kerenski verjagen ... " In den Regimentsversammlungen wurden fortwährend Resolutionen angenommen über die Notwendigkeit, sich endlich gegen die Regierung zu erheben. Delegationen von einzelnen Betrieben kamen zu den Regimentern mit der Anfrage, ob die Soldaten auf die Straße gehen würden. Die Maschinengewehrschützen schickten ihre Vertreter zu anderen Garnisonteilen mit der Aufforderung, gegen die Kriegsverlängerung zu protestieren. Ungeduldigere Delegierte fügen hinzu: das Pawlower und das Moskauer Regiment und vierzigtausend Putilower werden "morgen" hervortreten. Die offiziellen Ermahnungen des Exekutivkomitees wirken nicht. Immer schärfer gestaltet sich die Gefahr, daß Petrograd, von Front und Provinz nicht unterstützt, stückweise zerschlagen wird. Am 21. Juni forderte Lenin in der Prawda die Petrograder Arbeiter und Soldaten auf, auszuharren, bis die Ereignisse die schweren Reserven auf die Seite Petrograds stoßen würden. "Wir begreifen die Erbitterung, wir begreifen die Erregung der Petrograder Arbeiter. Aber wir sagen ihnen: Genossen, ein Hervortreten jetzt wäre unzweckmäßig." Am nächsten Tag kam eine private Beratung führender Bolschewiki, offenbar "linker" als Lenin, zu dem Entschluß, daß man trotz der Stimmung der Arbeiter- und Soldatenmassen den Kampf noch nicht annehmen dürfe: "Es ist besser abzuwarten, damit sich die regierenden Parteien durch die begonnene Offensive endgültig mit Schmach bedecken. Dann ist das Spiel unser." So gibt der Bezirksorganisator Lazis, einer der Ungeduldigsten jener Tage, die Sache wieder. Das Komitee ist immer häufiger gezwungen, Agitatoren zu Truppenteilen und Betrieben auszusenden, um von vorzeitigen Aktionen zurückzuhalten. Verlegen die Köpfe schüttelnd, beklagen sich die Wyborger Bol-schewiki im eigenen Kreise: "Wir müssen Feuerwehr spielen." Die Rufe: auf die Straße! verstummten jedoch nicht einen Tag. Darunter gab es auch offen provokatorische. Die Militärische Organisation der Bolschewiki war gezwungen, sich an die Soldaten und Arbeiter mit einem Aufruf zu wenden: "Keinen Aufforderungen, im Namen der Militärischen Organisation auf die Straße zu gehen, vertrauen. Zu einem Hervortreten ruft die Militärische Organisation nicht auf." Und dann noch dringlicher: "Fordert von jedem Agitator oder Redner, der euch im Namen der Militärischen Organisation auf die Straße ruft, eine mit den Unterschriften des Vorsitzenden und des Sekretärs versehene Legitimation."
    Auf dem berühmten Ankerplatz in Kronstadt, wo die Anarchisten immer sicherer die Stimme erheben, wird ein Ultimatum nach dem anderen ausgearbeitet. Am 23. Juni forderten die Delegierten des Ankerplatzes, den Kronstädter Sowjet übergehend, vom Justizministerium die Freilassung einer Gruppe Petrograder Anarchisten und drohten andernfalls mit einem Überfall der Matrosen auf das Gefängnis. Am nächsten Tage erklärten Vertreter aus Oranienbaum dem Justizminister, daß ihre Garnison über die Verhaftungen in der Villa Durnowo ebenso erregt sei wie Kronstadt und daß man bei ihnen "schon die Maschinengewehre putzt". Die bürgerliche Presse griff diese Drohungen flugs auf und fuchtelte damit dicht vor der Nase ihrer verbündeten Versöhnler. Am 26. Juni trafen Delegierte des Gardegrenadierregiments von der Front bei ihrem Reservebataillon mit der
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