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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6
Autoren: Arkady Strugatsky
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Krone das Dach völlig verdeckte. Vom Tor her führte ein schmaler, mit Steinplatten ausgelegter Weg um die Eiche herum zum Haus. Rechts davon lag ein Gemüsegarten, und linker Hand, inmitten einer kleinen Wiese, ragte ein verwitterter, moosbewachsener Brunnen mit einem Haspelrad auf.
    Ich parkte den Wagen ein Stück vom Weg entfernt, stellte den Motor ab und stieg aus. Der bärtige Wolodja stieg ebenfalls aus, lehnte das Gewehr gegen den Wagenschlag und schnallte sich den Rucksack um.
    »So, da wären wir«, sagte er.
    Der Hakennasige ließ das knarrende Tor krachend ins Schloss fallen, während ich etwas verlegen dastand und mich unschlüssig nach allen Seiten umsah.
    »Da ist ja auch schon die Hausherrin!«, rief der Bärtige. »Seien Sie mir gegrüßt, Großmütterchen Naina Kiewna!«
    Die Hausherrin schien die hundert schon überschritten zu haben; auf einen knorrigen Stock gestützt, schlurfte sie in Filzstiefeln und Galoschen langsam auf uns zu. Ihr Gesicht war tiefbraun, und inmitten eines dichten Geflechts aus Run zeln schob sich die lange spitze Nase, krumm wie ein Säbel, nach vorn. Ihre Augen waren trübe und fast farblos, so als seien sie mit Hornhaut überzogen.
    »Grüß dich, Enkelchen, grüß dich«, erwiderte sie mit einer überraschend kräftigen, tiefen Stimme. »Das ist also der neue Programmierer? Sei auch du gegrüßt, mein Guter! Herz lich willkommen!«
    Ich begriff, dass ich jetzt am besten den Mund hielt, und verbeugte mich stumm vor der alten Frau. Auf dem flauschigen schwarzen Kopftuch, das sie unter dem Kinn zusammengeknotet hatte, trug sie ein lustiges Tüchlein mit mehrfarbigen Abbildungen des Atomiums und einem in allen möglichen Sprachen aufgedruckten Text: »Internationale Ausstellung in Brüssel«. Am Kinn und unter der Nase spros sen ein paar graue Borsten. Sie trug ein schwarzes Tuchkleid und eine wattierte Weste.
    »Also, Naina Kiewna«, begann der Hakennasige, während er auf uns zukam und sich den Rost von den Händen rieb. »Wir müssen unseren neuen Mitarbeiter für zwei Nächte bei dir unterbringen. Darf ich vorstellen … äh …«
    »Nicht nötig«, sagte die Alte und blickte mich forschend an. »Ich sehe schon: Es ist Alexander Iwanowitsch Priwalow, Jahrgang 1938, Geschlecht: männlich, Nationalität: russisch, Mitglied des Komsomol, nein, nein, er hat nicht teilgenommen, er war nicht, und er hat nicht … Vor dir, mein funkelndes Juwel, liegen ein langer Weg und Geschäfte in Amtsstuben … Aber nimm dich in Acht, mein strahlender Diamant, vor einem bösen rothaarigen Menschen. Und nun, mein schönster Rubin, belohn mich für meine Mühe …«
    »Ähem!«, räusperte sich der Hakennasige, und die alte Frau verstummte. Peinliches Schweigen trat ein.
    »Nennen Sie mich einfach Sascha«, brachte ich mühsam den lange vorbereiteten Satz heraus.
    »Und wo soll ich ihn unterbringen?«, wollte die alte Frau wissen.
    »Im Magazin natürlich«, sagte der Hakennasige ein wenig gereizt.
    »Und wer übernimmt die Verantwortung?«
    »Aber Naina Kiewna!«, donnerte der Hakennasige plötzlich mit der großen Geste eines Provinztragöden, fasste die Alte unter und zog sie ins Haus. Man hörte, dass sie sich stritten.
    »Das war doch abgemacht!«
    »Und wenn er was stibitzt?«
    »Nicht so laut! Das ist doch ein Programmierer, verstehen Sie? Ein Komsomolze! Ein Wissenschaftler!«
    »Und wenn er an den Zähnen lutscht?«
    Peinlich berührt, wandte ich mich zu Wolodja um. Wolodja kicherte.
    »Das ist mir aber unangenehm«, stammelte ich.
    »Keine Sorge, es geht alles seinen Gang …«
    Er wollte noch etwas hinzufügen, als die alte Frau mit wilder Stimme schrie: »Aber das Kanapee, das Kanapee!«
    Ich fuhr zusammen und sagte: »Wissen Sie was, ich fahre jetzt lieber weiter.«
    »Kommt überhaupt nicht infrage!«, widersprach Wolodja in entschiedenem Ton. »Es wird sich alles finden. Die Großmutter verlangt bloß ihren Lohn, Roman und ich haben aber kein Geld dabei.«
    »Dann bezahle ich«, schlug ich vor. Am liebsten wäre ich auf der Stelle abgefahren; solche Alltagsquerelen kann ich nicht ausstehen.
    Wolodja schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Da kommt er auch schon. Es ist alles in Ordnung.«
    Der hakennasige Roman trat zu uns, fasste mich unter und sagte: »So, das hätten wir geklärt. Kommen Sie.«
    »Hören Sie, mir ist das irgendwie peinlich«, sagte ich. »Schließlich ist sie nicht verpflichtet …«
    Aber da waren wir schon beim Haus.
    »Doch, doch, das ist sie«, murmelte
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