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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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geht.«
    »Besser«, brummte sie. »Ist Tabor geflogen?«
    »Ja. Er wollte es unbedingt. Wieso hat er jahrelang erzählt, er hat Flugangst?«
    »Hat er ja auch.«
    »Ich versteh ihn einfach nicht.«
    »Das tut niemand«, sagte Sonja. »Was machen die Ermittlungen?«
    »Wir warten. Wann kommst du wieder?«
    »Bald«, sagte sie.
    »Dich hats schwer erwischt. Jetzt bist du die Einzige von uns, die man nicht zur Rechenschaft ziehen kann, weil du nicht dabei warst.«
    »Was redest du denn?«
    »Schlaf weiter, gute Besserung!« Er legte auf. Er kratzte sich an der Oberkante seiner schwarzen Augenklappe und sah auf die Uhr. Es kam ihm vor, als würde die Zeit ihn verspotten. Erst zehn Minuten waren vergangen, seit er das letzte Mal hingesehen hatte. Ungeduldig wartete er darauf, dass das Telefon wieder klingelte.

22   18. August, 01.24 Uhr
    S ie trug die weißen Jeans und den blauen Kaschmirpullover, den sie von ihrem Vater zum vierzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und Arano freute sich darüber. Die Bomberjacke lag neben ihr. Er hielt ihre Hand. Sie hatte den Sitz nach hinten geklappt und die Beine ausgestreckt. Sie sprachen kein Wort. Tabor Süden saß eine Reihe vor ihnen und hatte den Kopf zur Seite gelehnt und die Augen geschlossen. Er schlief nicht, er taumelte durch Gedanken.
    Den beiden jungen Sanitätern und den beiden Stewardessen war die Ruhe unheimlich. Wenn sie sich unterhielten, flüsterten sie. Aus dem Cockpit kamen keine weiteren Neuigkeiten über die Fahndung der Polizei.
    Nicole Sorek und ihre zwei Kollegen dösten vor sich hin. Im Augenblick gab es für sie nichts zu vermelden. Lars und Pit grinsten sich gelegentlich an, aber Nicole verzog keine Miene. Sie hatte einen karierten Schreibblock auf dem Schoß, auf dem sie sich alle paar Minuten Notizen machte. Plötzlich setzte Lucy sich auf und beugte sich vor.
    »Warum hast du mir im Knast nicht ins Gesicht geschrien«, sagte sie zu Süden, »sondern an die Wand?«
    Einige Sekunden glaubte sie, er schlief. Doch dann öffnete er die Augen ohne sie anzusehen.
    »Ich wollte dich nicht verletzen«, sagte er.
    »Aha.« Sie nickte, zog sanft ihre Hand aus der ihres Vaters und kratzte sich in den Haaren, die bunten Steine an ihren langen Zöpfen klackten. »Hier!« Sie griff in die Tasche und zog zwei Geldscheine heraus. »Deine Kohle.« Jetzt wandte Süden ihr den Kopf zu. Sie hielt ihm die ausgestreckte Hand mit zwei Hundertmarkscheinen hin.
    »Nimms endlich, Mann!«
    »Wo hast du das her?«, fragte er.
    »Hart verdient, was sonst?« Sie nahm die Hand nicht weg.
    »Hast du deine Zellengenossin beklaut?«
    »Geht dich das was an? Los. stecks ein!«
    Er nahm die Scheine. Später würde er ihr das Geld wiedergeben, nach der Landung, wenn alles vorbei war.
    »Okay«, sagte sie, »und jetzt lass mich in Ruhe!« Sie fasste wieder nach der Hand ihres Vaters und streckte die Beine aus. Mit dem Zeigefinger strich Arano über ihren Handrücken. Abrupt sah Lucy ihn an. Und jeder erkannte im Blick des anderen den Schmerz, der sie unauflösbar verband, den Schmerz darüber, dass sie nicht wussten, wie sie einander heilen sollten.

23   18. August, 03.54 Uhr
    » F rüher waren wir ein reiner Servicebetrieb«, erzählte Arano leise seiner Tochter. Sie lagen nebeneinander in eine Wolldecke gehüllt, die Sitze nach hinten geklappt, mit ausgestreckten Beinen, als befänden sie sich, von blauem Meer umschaukelt, an Deck eines Dampfers, und nicht an Bord eines Flugzeugs, unter einem finsteren gleichgültigen Himmel. »Wir haben tropfende Wasserhähne repariert, lecke Leitungen, wir waren dauernd unterwegs, Xaver und ich. Bevor wir uns zusammengetan haben, war ich allein, ich hatte nicht mal einen Anrufbeantworter, nur ein Telefon, ich saß im Zimmer und wartete auf einen Auftrag. Einen Bus hatte ich natürlich, einen gebrauchten VW-Bus, den hab ich mir selber eingerichtet, mit einer Drehbank, Werkzeug, Maschinen, was du alles brauchst. Weißt du, was der gekostet hat? Vierhundert Mark! Das war ein Glückskauf. Neu hätte der damals siebzehntausend gekostet, lächerlich. So hab ich angefangen nach meiner Meisterprüfung. Ich wollt nie was anderes machen. Und ich wollt nicht Schiffbruch erleiden, ich wollt, dass meine Idee vom eigenen Geschäft funktioniert, ich wollt nicht Pleite gehen und mich blamieren. Das Wichtigste ist Zuverlässigkeit, das hab ich als Erstes gelernt, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit, und du musst bereit sein, vierundzwanzig Stunden am Tag zur
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