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Geraubte Seele

Geraubte Seele

Titel: Geraubte Seele
Autoren: Zoe Zander
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Männer wollten von mir, dass ich ihnen mit Tränen begegne. Es war mir nie gelungen. Nach all den Jahren dachte ich, ich hätte meine gesamten Tränenvorräte verbraucht. Nun wusste ich, dass dem nicht so war und erkannte, worin der Unterschied bestand.
    All die Schläge, Erniedrigungen, Demütigungen und Qualen waren unbedeutend im Vergleich mit dem Ziel, dem einzigen Ziel, das ich dabei verfolgte. Diesen Mann zerstören, ihn seiner Freiheit berauben, sein Ansehen ruinieren. Das war das Einzige, worauf es in meinem Leben noch ankam. Ihn seiner Seele berauben, so wie er es mit mir getan hatte. Und dieser Aushilfswachmann kam mir dazwischen.
    Der Mann sammelte rasch die Scheine zusammen und lief davon. Ich blieb mit dem Mann in der Portiersuniform alleine.
    „Ich rufe die Polizei an. Sie wollen es bestimmt zur Anzeige bringen.“ Doch er bewegte sich keinen Schritt, starrte mich nur richtig an, sodass ich meinen Blick senkte und mich prüfend ansah, ob eines meiner Kleidungsstücke nicht etwas preisgab, was ich sonst vor der Welt verbarg. Er bemerkte meine Unsicherheit und konterte sofort.
    „Verzeihung. Ich hatte nur den Eindruck, mein plötzliches Erscheinen hätte Sie mehr erschreckt, als der Typ, der Ihnen an die Wäsche wollte.“ Ich erstarrte, denn dies war genau der Schlag ins Gesicht, den ich keinem der Männer gestattete.
    „Kommen Sie, ich mache Ihnen einen heißen Kaffee. Sie zittern ja …“ Ich zitterte vor Wut, gleichzeitig vor Enttäuschung und vor allem vor – Entsetzen, denn er hatte recht. Ich erschrak, als er so unerwartet auftauchte, denn ich war es weder gewohnt, noch hätte ich jemals damit gerechnet, dass mir jemand zu Hilfe kommen könnte.
    „Ich danke Ihnen vielmals.“ Ich schob mir die große Sonnenbrille tiefer ins Gesicht und wartete kurz ab, ob er mich an der Stimme erkennen würde. Er musterte mich zwar, schien zu ahnen, was ich hier zu suchen hatte. Er erkannte mich nicht und das, obwohl wir uns fast täglich begegneten.
    „Er hat bestimmt nur zu viel getrunken. Morgen wird sein Rausch verflogen sein und er wird sich wünschen, es wäre nie passiert.“ Der Student, der sich mit Nachtdiensten über die Runden hielt, wollte meinen Worten nicht so recht glauben. Er drängte mich weiterhin dazu, doch zur Polizei zu gehen.
    „Ich bin müde.“ Das stimmte. Unter normalen Umständen säße ich nun längst in einem Taxi und das erste Schmerzmittel würde auch schon seine Wirkung entfaltet haben. Meine Knie gaben langsam nach und dabei hatte ich noch einiges zu erledigen, bevor ich mich ins Bett legen durfte.
    „Bitte. Draußen wartet ein Taxi auf mich. Wenn Sie sich tatsächlich meinetwegen Gedanken machen, dann begleiten Sie mich zum Wagen. Aber ich mag nicht zur Polizei gehen.“
    „Ich kann Sie verstehen. Aber nur weil Sie …“ Er verstummte schlagartig und ich konnte mir genau denken, was er sagen wollte. Sogar sein Augenaufschlag verriet mir, was für ein Bild er sich von mir gemacht hat. Es ließ mich kalt. Vielleicht auch deshalb, weil ich es mir diese Nacht zu genüge anhören musste und mit ausreichend Peitschenhieben dafür bestraft wurde.
    „Trotzdem gibt das dem Typen nicht das Recht, so mit Ihnen umzugehen.“ Es war ein merkwürdiges Gefühl. Als hätte er mich in einen höheren gesellschaftlichen Stand gehoben. Oder als wäre ein Teil des Drecks, der seit Jahren an mir haftete, abgeblättert.
    „Das mit der Polizei würde nichts bringen. Es ist ja nichts passiert. Er bekommt höchstens eine Geldstrafe, die er sich locker leisten kann. Dafür verbringe ich den halben Tag auf der Wache und versäume andere wichtige Termine.“ Es schien, als würde er sich fragen, was eine wie ich tagsüber für Termine haben könnte. Aber das mit der geringen Geldstrafe sah er dann doch ein und so begleitete er mich zu dem wartenden Taxi.
     
    Achtundvierzig Stunden später lümmelte ich auf der Terrassenliege und versuchte so flach wie möglich zu atmen, nur um meinem Körper jedwede Erschütterung zu ersparen. Ich trug einen weichen Hausanzug. Dieser war mir um mindestens zwei Nummern zu groß. Aber so drückte und zwickte es nirgends, auch wenn einige meiner Körperteile stärker pochten, als mein Herz. Ich drehte meinen Kopf langsam nach links und sah durch das bodentiefe Fenster in die Küche, auch wenn der Lärm von dem Eingangsbereich kam.
    Mein Mitbewohner war zurückgekommen. Die Gewohnheit führte ihn als Erstes stets in die Küche, trotz der Tatsache, dass sein Teil
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