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Geraubte Seele

Geraubte Seele

Titel: Geraubte Seele
Autoren: Zoe Zander
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des Kühlschranks schon seit Längerem vor Leere gähnte. Vor Wut über sich selbst und aus Verzweiflung schlug er dann mit den wenigen Türen, die sich in unserer gemeinsamen Dachgeschosswohnung befanden. Danach schimpfte er vulgär und vor allem laut mit sich selbst, oder trat gegen alles, was sich ihm in den Weg stellte. Wegen diesem Lärm kam ich seit achtundvierzig Stunden nicht zur Ruhe, und Ruhe hatte ich in meinem Zustand bitter nötig.
    Vom Hunger getrieben versuchte er auch heute sein Glück und stürmte in die Küche. Doch bevor er beim Anblick des leeren Kühlschranks mit den üblichen Selbstvorwürfen anfangen konnte, fiel sein Blick auf den Esstisch. Heute roch es in dem kleinen Raum nach einem Drei-Gänge-Menü und dieses stand auch tatsächlich auf dem Tisch, auf dem sich sonst nur meine Wasserkaraffe befand. Unter anderen Umständen hätte ich selbst gekocht. Da mir sogar das niederprasselnde Wasser in der Dusche Schmerzen bereitete, bemühte ich den Lieferservice.
    Ich sah ihm noch kurz zu, wie er die Nachricht las, die ich ihm hinterlassen habe.
    Anschließend landete mein Blick auf der kleinen Pappschachtel, die auf dem Terrassentisch neben meinem Glas stand, bis ich schließlich mit einem lauten Zischen den Kopf in die andere Richtung drehte.
     
    „Was soll das?!“, stand er plötzlich in der offenen Terrassentür seines Schlafzimmers und brüllte mich an. „Ich hab deine Almosen nicht nötig!“ Ich schwieg, weil ich meine letzte Kraft beim Entgegennehmen der Lieferung verbraucht hatte. Andererseits dröhnten seine lauten Worte in meinem Kopf, dass ich hoffte, er würde zerspringen und ich hätte es dann endgültig hinter mir.
    „Wenn der reiche Daddy die Miete bezahlt, ist es kein Wunder, dass du die meiste Zeit nur faul herumliegst und dir die Sonne auf den Bauch scheinen lässt, während andere jeden Cent mehrmals umdrehen müssen und hart für ihren Unterhalt schuften!“ Er verstummte kurz, da sich sein Magen mit einem lauten Knurren zu Wort meldete. Daraufhin glitt sein Blick bewusst, oder vielleicht nur vom Hunger getrieben, durch das Fenster in die Küche.
    „Schiebe es dir sonst wo hin. Bevor mir dein Mitleid in der Kehle stecken bleibt, oder ich gar daran ersticke, verhungere ich lieber!“, verschwand er wieder in seinem Schlafzimmer. Kurz darauf tauchte er erneut in der Küche auf, um sich ein Glas Wasser zu holen.
    Ich drehte meinen Kopf zur Seite und warf der Pappschachtel einen bösen Blick zu. Dann seufzte ich laut.
     
    Als ich es endlich in die Küche schaffte, stand er immer noch beim Wasserhahn und versuchte auf diese Art, seinen knurrenden Magen zur Ruhe zu bringen.
    „Und solltest du meine ausständige Miete bezahlt haben, bekommst du alles zurück. Sogar mit Zinsen!“ Er schüttete das Wasser in den Abwasch und stellte das Glas, ohne es abzuspülen, auf die Arbeitsfläche.
    „Hör mir gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen.“ Mit diesem einen Satz verbrauchte ich die ganze Luft, mit der meine Lunge gefüllt war. Es dauerte einen langen Moment, bis ich fortfahren konnte. Mein Brustkorb und mein Rücken waren mit Striemen übersät, je tiefer ich ein- oder ausatmete, umso mehr tat es weh.
    „Du darfst dir keinen Fehltritt mehr leisten, sonst fliegst du von der Uni …“
„Das gibt’s doch nicht! Spionierst du mir etwa nach?“ Er sah etwas verwundert aus, als er bemerkte, dass ich auf meinen Fußkanten stand. Ich hielt es auf meinen Fußsohlen nicht aus. Sie glühten, als würde ich nicht über heiße Kohle laufen, sondern wäre inmitten stehen geblieben. Ich trug Socken, also konnte er nichts von den Spuren erkennen, die mir die Gerte des Lederschuhinhabers hinterlassen hatte. Ich lehnte mich an den Türrahmen an, weil ich sonst immer wieder das Gleichgewicht verlor.
    „Die dicken Buchstaben erschlagen einen ja förmlich. Ich müsste blind sein, um es nicht sehen zu müssen.“ Er drehte sich um und entdeckte das Schreiben, das er in der Küche liegen gelassen hatte.
    „Ich will jetzt meine Ruhe. Ob du dir den Mund mit Essen stopfst, oder einfach nur schweigst, ist mir egal. Aber das ist mir nicht egal“, versuchte ich wenigstens den Kopf in die Richtung des Briefes zu schwenken. Dabei erinnerte ich mich an die Worte meiner Mutter:
    „Ich werde dich nicht zu deinem Glück zwingen, genau so wenig werde ich dich daran hindern, dich ins Unglück zu stürzen. Die Erfahrung musst du selbst machen.“ Später wünschte ich mir, sie hätte es getan und
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