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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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ausgezeichnete Partie. Herr von Seigneulles hätte eine weniger bürgerliche Familie vorgezogen; aber die alte Dame wies ihm nach, daß in Juvigny die adligen Mädchen sehr arm und sehr ältlich seien; sie schloß mit dem Anerbieten, selbst die Vermittlung zu übernehmen. Der Chevalier blieb nachdenklich. Ehe er einen weiteren Schritt that, hätte er gerne Mutter und Tochter gesehen, um selbst urteilen zu können ...
    »Hören Sie,« sagte plötzlich der Abbé, und erhob sich, um fortzugehen, »was ich Ihnen vorschlagen will, ist vielleicht nicht ganz passend für einen Geistlichen, aber ich denke, der Himmel wird es mir um des guten Zweckes willen vergeben, Frau Grandfief und ihre Tochter werden morgen den Nachmittag im Pfarrhaus zubringen, um mit den jungen Mädchen von der Rosenkranz-Schwesterschaft die Blumen für das Marienfest zu machen. Besuchen Sie mich gegen vier Uhr und bringen Sie Gérard mit, dann werden Sie die Damen treffen, und der junge Mann kann uns sagen, ob sie ihm gefallen.«
    Herr von Seigneulles willigte ein, der Abbé empfahl sich, und die Tricktrackpartie begann.
    Des Abends, beim Nachtessen empfing der Chevalier seinen Sohn in guter Laune und erwähnte die Ereignisse des gestrigen Tages mit keiner Silbe. Ehe er zu Bett ging, sagte er zu Gérard: »Morgen wirst du dich nicht entfernen. Wir werden den Abbé Volland miteinander besuchen ... Und,« fügte er hinzu, »außerdem wirst du mir den Gefallen erweisen, dir graue Handschuhe zu kaufen, die schwarzen habe ich satt!«
    Dies war die einzige Anspielung, die er sich in Bezug auf den »Weidenball« erlaubte.

Drittes Kapitel
    Der Garten, der zu der Wohnung des Abbé Volland gehörte, war der sonderbarste Pfarrgarten, den man sich denken kann. Er war an Stelle der früheren Stadtgräben terrassenförmig angelegt und bot, vom Abbé, der nichts vom Gartenbau verstand, sehr vernachlässigt, dem Auge ein wunderbares Bild der verschiedensten Kulturen. In diesem Durcheinander wuchs der Salat brüderlich neben den Centifolien, Lilien wechselten mit Stachelbeeren ab und langstielige Engelwurz, buschiger Fenchel, kugelförmig verschnittener Buchs vermischten ihren würzigen Duft mit dem Wohlgeruch der Waldrebe. Eine Allee von hundertjährigen Buchen zog sich die untere Terrasse entlang und bildete in der Mitte ein Rundell, das mit einem steinernen Tisch und Gartensesseln ausgestattet war. Hier waren die jungen Mädchen versammelt, die unter Anleitung der Vorsteherin der Kongregation und eines jungen, kleinen, sehr beweglichen Vikars mit gelocktem Haar Papierblumen anfertigten. Als Herr von Seigneulles und Gérard in die Hausflur traten, vernahmen sie weibliche Stimmen, die wie das Gesumme eines Bienenstockes aus der Buchenallee herausdrangen.
    Die Dienerin führte sie in ein Zimmer, in dem sie den Abbé im Gespräch mit Frau Grandfief fanden. Neben einem Ehrfurcht gebietenden, abgemessenen Benehmen, war dieser großen, mageren, grobknochigen Dame eine herrische, ausdrucksvolle Art zu sprechen eigen. Ihre eckige, von dünnen, braunen Haaren eingefaßte Stirne, ihre außerordentlich lange Nase, ihr rechtwinkeliges Gesicht, das in einem derben Kinn endigte, erinnerte unbestimmt an die dem Geschlecht der Pferde eigene Grundform. Der Abbé stellte seine Besucher vor und Herr von Seigneulles begann eine förmliche Unterhaltung mit ihr, die sich um gemeinschaftliche Beziehungendrehte. Dieses Gespräch unterhielt Gérard nur wenig, und er unterdrückte gerade ein Gähnen, als der Geistliche den Vorschlag machte, in den Garten hinunterzugehen. Der junge Mann ließ sich dies nicht zweimal sagen, sondern verließ, sobald sie im Freien waren, den Abbé und seine Gäste und ging auf den Buchengang zu, von dem fröhlichen Gesumme angezogen, das dorther drang. Als er dort angelangt war, blieb er einen Augenblick an dem Eingang dieses schattigen, grünen Baumganges stehen, von wo aus er wie im Hintergrund eines Panoramas die Mädchen in ihren hellen Gewändern, von denen die Soutane des Vikars sich dunkel abhob, betrachtete. Inmitten dieser Gruppe stand ein junges Mädchen von sehr weißer Gesichtsfarbe, dessen starke blonde Haare frei über die Schultern herabflossen; sie hielt einen Teller voll roter Johannisbeeren in der Hand, von denen sie mit der Zierlichkeit eines naschhaften Vogels schnabulierte.
    »Sie essen wohl gerne Johannisbeeren, Fräulein Laheyrard?« fragte in demselben Augenblick der Vikar mit stark lothringischer Betonung.
    »Ja, besonders pflücke ich
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