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Gequält

Gequält

Titel: Gequält
Autoren: Hans Koppel
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»Davor habe ich Angst.«
    »Er muss dick auftragen«, sagte Calle. »Dafür wird er bezahlt.«
    »Da hörst du«, sagte Åsa. »Lass dir das von einem sagen, der sich auskennt.«
    Bengt zuckte mit den Achseln.
    »Ja, ja. Abwarten. Wen wollen Sie denn in Höganäs interviewen?«
    »Eine Frau«, sagte Calle. »Ihr Sohn ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    Es wurde still.
    »Calle schreibt über Verstorbene«, sagte Jörgen.
    Calle rutschte betreten hin und her.
    »Das klingt schlimmer, als es ist. Es geht um Leute, die zu früh aus unserer Mitte gerissen wurden. Positive Porträts, nichts Sensationslüsternes.«
    Åsa und Bengt nickten bedächtig. »Die Angehörigen melden sich bei der Zeitung«, versicherte Calle. »Wir müssen die Leute nicht überreden. Man könnte die Texte als nachträgliche Nachrufe bezeichnen, allerdings nicht so gestelzt. Ich versuche, die Erinnerung lebendig werden zu lassen. Oder anders: Ich versuche die Erinnerung an eine Zeit, zu der sie noch am Leben waren, heraufzubeschwören.«
    Åsa und Bengt nickten erneut.
    »Wie alt war er denn?«, fragte Åsa. »Der Junge, der ums Leben gekommen ist, meine ich.«
    »Dreizehn. Er wurde von jemandem überfahren, der Fahrerflucht beging.«
    Niemand sagte etwas.
    »Oje«, meinte Calle und fuchtelte mit den Händen. »Ich höre selbst, wie fürchterlich das klingt, aber das Hauptaugenmerk liegt nicht auf dem Tod. Meine Güte, das Ganze ist schließlich schon fünfzehn Jahre her.«

5
    »Die waren doch nett«, sagte Calle und setzte sich ans Fenster des Schärendampfers.
    Jörgen ließ sich auf den Platz neben ihm sinken.
    »Unbedingt, gute Leute.«
    Der Dampfer fuhr nach Gåshaga und von dort weiter in die Stadt. Sie glitten an Jörgens Sommerhaus vorbei und betrachteten mit kritischem Blick das Grundstück.
    »Kaum zu sehen«, meinte Jörgen.
    »Was?«
    »Die Bäume, die wir gefällt haben.«
    »Hattest du damit gerechnet?«
    »Die Stihl-Motorsäge und ich werden die Welt verändern  … Nein, geglaubt habe ich das nicht. Es gibt so verdammt viele Bäume, dass es nie ein Ende nimmt. Übrigens, danke für deine Hilfe. Das war nett von dir.«
    Jörgen schaute in Fahrtrichtung. Calle nahm Anlauf, um etwas zu sagen, kam dann jedoch davon ab. Er wartete eine Weile und unternahm einen neuen Versuch.
    »Ich will jetzt nicht nörgeln oder so.«
    Jörgen sah ihn an.
    »Was?«
    Calle verzog das Gesicht.
    »Es ist mir unangenehm«, meinte er, »wenn du erzählst, dass ich über Todesfälle schreibe. Das klingt dann irgendwie, ich weiß nicht, so hässlich.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Es deprimiert mich und ist mir peinlich.«
    Jörgen setzte sich anders hin und sah ihn an.
    »Du meinst das ernst?«
    »Das ist doch wohl klar. Hast du nicht gemerkt, wie still es wurde? Und ihr Sohn ist ein erfolgreicher Halbpromi. Ich sitze da wie ein in die Tage gekommener Schwuler mit Hängebauch und verkrieche mich niedergeschlagen und verbittert in meine Depression.«
    »Da muss ich mich entschuldigen. Es war nicht meine Absicht, dich zu kränken. Wirklich nicht. Nichts liegt mir ferner, das weißt du.«
    Calle hatte seine Mimik nicht ganz unter Kontrolle.
    »Ich fühle mich so passé.«
    Jörgen nahm seine Hand.
    »Du  … das war ein Scherz. Niemand beeindruckt mich so wie du.«
    Calle zwang sich zu einem schiefen Lächeln.
    »Entschuldige. Ich bin etwas empfindlich. Sieh mich nicht an, sonst fang ich noch an zu heulen.«
    »Wenn ich dich irgendwie verletzt habe  … «
    »Ihr Sohn ist ein Star, und ich schlage mich von einem Artikel zum nächsten durch.«
    »Ihr Sohn? Ein Star? Ich habe ihn schon als mageren Teenager hier auf der Insel herumstiefeln sehen. Er ist keine sonderlich beeindruckende Erscheinung. Und was hat er erreicht?«
    »Nichts«, meinte Calle. »Noch nicht. Er hat alles noch vor sich. Im Unterschied zu mir  … «
    »Stopp«, meinte Jörgen, »das geht jetzt wirklich zu weit. Hier sitzen und flennen. So geht das nicht.«
    Der Dampfer drosselte die Geschwindigkeit, und aus den Lautsprechern schallte:
    »Gleich erreichen wir Gåshaga. Nächster Halt Gåshaga.«
    »Ich muss jetzt aussteigen«, sagte Jörgen.
    Calle spürte, dass ihn sein Freund unsicher ansah.
    »Kein Problem. Alles okay.«
    Jörgen lehnte sich vor, küsste seinen Freund auf die Wange und tätschelte ihm die Hand.
    »In deiner Gesellschaft bin ich am allerglücklichsten, nur dass du das weißt«, sagte er und erhob sich.
    Er ging zum Bug, drehte sich noch einmal um, um sich ein
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