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Gequält

Gequält

Titel: Gequält
Autoren: Hans Koppel
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der Taxifahrer.
    »Ja.«
    »Kein Gepäck«, sagte Sherlock.
    Calle lächelte kurz, nahm seinen Kugelschreiber, drückte die Mine raus und begann, in seinem Block zu blättern.
    »Ich war auch schon in Stockholm«, sagte der Taxifahrer.
    Calle begriff nicht. Was wollte er damit sagen? Es konnte doch wohl nicht sein, dass der Mann am Steuer, ein Erwachsener, ganz im Ernst meinte, dass er schon einmal in Stockholm gewesen war und diese Information für wichtig genug hielt, sie an einen Fremden weiterzugeben? Es gab kaum ein Kind im Land, das nicht irgendwann einmal die Hauptstadt besucht hatte.
    »Und zwar mehrmals«, fuhr der Taxifahrer fort und bestätigte damit Calles Befürchtungen.
    »Dann  … gefällt Ihnen Stockholm also?«, erwiderte Calle zögernd und spähte gleichzeitig nach einer versteckten Kamera.
    »Ich weiß nicht so recht«, meinte der Taxifahrer. »Für einen Besuch ist Stockholm ganz hübsch, aber ich würde dort nicht wohnen wollen. Wenn ich mich nach dem Puls der Großstadt sehne, fahre ich schnell mal nach Kopenhagen rüber.«
    »Kopenhagen ist eine schöne Stadt«, meinte Calle.
    Der Taxifahrer nickte wiederholte Male.
    »Meiner Meinung nach eine richtige Großstadt. Das ist schon der Kontinent, was? Ganz anderer Stil.«
    Plötzlich schämte sich Calle, er schämte sich dafür, dass sich ihm ein anderer Mensch allein deswegen unterlegen fühlte, weil er aus Stockholm kam. Er verspürte dieselben Schuldgefühle wie ein Europäer, der die Dritte Welt besucht.
    »Ich bin da ganz Ihrer Meinung«, sagte Calle. »Stockholm ist ganz nett, aber Kopenhagen ist definitiv exotischer.«
    »In einer Stunde bin ich dort«, meinte der Taxifahrer. »Malmö, die Brücke, und schon ist man da. Und wenn ich ein bisschen feiern und ein Bier oder so trinken will, kann ich mit der Bahn fahren. Wahnsinnig bequem.«
    »Aber Sie wohnen in Höganäs?«
    »Dort bin ich geboren und aufgewachsen.«
    »Höganäs ist wirklich schön«, meinte Calle und fühlte sich als Gutmensch. »Ich war kurz unten am Hafen. Die reinste Riviera.«
    Die Schmeichelei hatte die beabsichtigte Wirkung. Der Taxifahrer wuchs förmlich einen halben Kopf und setzte sich zurecht.
    »Allerdings. Inzwischen ist es ganz okay. Viele Helsingborger ziehen hierher.«
    »Das verstehe ich«, meinte Calle und unternahm einen erneuten Versuch, sich in seine Notizen zu vertiefen.
    Er fand nicht unmittelbar einen O-T on, aber das war auch nicht nötig. Die Geschichte war auch so dramatisch genug.
    »Sie waren beruflich hier, oder?«
    »Das stimmt«, erwiderte Calle.
    Der Taxifahrer suchte im Rückspiegel nach seinem Blick.
    »Und was machen Sie?«
    »Ich bin Journalist. Ich schreibe für Illustrierte.«
    »Klatschgeschichten und so?«
    »Nein, eher Lebensschicksale.«
    »Keine Promis?«
    »Vereinzelt«, antwortete Calle.
    Der Taxifahrer trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad.
    »Letzten Sommer war Robert Wells hier.«
    Es gab nichts, was Calle auf diese Bemerkung des Taxifahrers hätte erwidern können. Er lächelte also nur in den Rückspiegel, und zwar mit einer Miene, von der er hoffte, dass sie, wenn schon nicht respektvoll, so zumindest nicht offen verächtlich war.
    »Ja, das war er«, wiederholte der Taxifahrer.
    Calle biss die Zähne so fest zusammen, dass ihm die Augen tränten. Er musste wegschauen, und sein Blick fiel auf einen frisch gepflügten Acker. Er glänzte silbern, aber Schweigen war Gold.

9
    Matte streckte die Arme zum Lenkrad aus und seufzte.
    »Was für ein dämliches Gelaber.«
    »Was hattest du erwartet«, meinte Sara. »Er ist Journalist. Das ist sein Job.«
    Matte drehte den Zündschlüssel herum.
    »Ein wenig schwul wirkte er aber auch«, sagte er.
    Sara sah ihn an und fragte sich, ob er sich über sie lustig machte.
    »Ein wenig? Liebster, das war eine Oberschwuchtel.«
    Matte legte den ersten Gang ein und fuhr los.
    »Du bist also auch der Meinung?«
    »Aber klar, selbstredend. Er arbeitet für Illustrierte. Kein Nichtschwuler arbeitet für diese Blätter.«
    »Aber er hat sich von seinem Unsinn nicht abbringen lassen und nicht klein beigegeben.«
    »Du hast ihm nicht die Antworten gegeben, die er hören wollte.«
    »Findest du nicht? Ich habe auf alles geantwortet.«
    »Du hast falsch geantwortet.«
    »Falsch? Man darf doch wohl erzählen, wie es war. Und dass wir zusammen angeln gegangen sein sollen, ich weiß nicht, wo Mama das herhat. Kent und ich haben keinen Scheißdreck zusammen gemacht. Ich hab, verdammt noch mal, täglich
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