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Gepaeckschein 666

Gepaeckschein 666

Titel: Gepaeckschein 666
Autoren: Alfred Weidenmann
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auf. Er blinzelte kurz nach links und rechts, nach oben und unten, dann zahlte er sehr schnell seine zwei Groschen und rannte los, ohne ein Wort zu sagen.
    Herr Schimmelpfeng war beim Bericht über die gestrige Meisterschaft im Schwergewicht angelangt, als Peter mit seinem Poliertuch knallte.
    „Der Tiefschlag in der sechsten Runde setzt dem Faß die Krone auf!“ schimpfte Herr Schimmelpfeng noch und ging mit blitzblanken Schuhen zu seinen Hyazinthen und Maiglöckchen zurück.
    Die nächste halbe Stunde war ziemlich ruhig.
    Kurz vor zehn Uhr kamen zwei japanische Matrosen. Sie sprachen kein Wort deutsch und streckten nur grinsend ihre Füße von sich, als sie in den Drehstühlen saßen.
    Am Bahnhofsplatz lag jetzt schon ein Gewirr von dicken Kabeln auf dem Asphalt, und die Arbeiter der Filmgesellschaft bauten immer mehr Scheinwerfer auf. Die Leute blieben stehen und bildeten bereits einen Kreis um all die Holzgerüste und Lastwagen. Auf dem Dach des himmelblauen Lieferwagens war ein breitbeiniges Stativ aufgebaut worden, und vier Arbeiter wuchteten an einem großen schwarzen Kasten, der offenbar sehr schwer war. Dieser Kasten wurde jetzt sehr vorsichtig auf das Stativ gehoben.
    „Das ist bestimmt die Kamera“, sagte Peter ziemlich aufgeregt. Aber der Sheriff hörte ihn gar nicht. Er war nämlich mit dem Aufträgen der flüssigen grünen Tinktur auf die Wildlederschuhe einer Dame beschäftigt. Das war eine heillos knifflige Sache, und er biß sich dabei auf seine Zungenspitze.
    Und jetzt bekam auch Peter wieder Arbeit.
    Ein sehr eleganter Herr in dunklem Anzug und mit angegrauten Haaren setzte sich in den freien Drehstuhl. Er nahm seinen schwarzen Hut ab und grüßte so höflich, als betrete er das Finanzamt.
    „Guten Morgen, die Herren.“
    „Guten Morgen, Herr-r-r-“, antworteten Peter und der Sheriff.
    Dabei zogen sie das „Herr“ am Ende ziemlich in die Länge und hängten ihm noch irgendeinen unverständlichen Nachlaut an. Das sollte einen Namen ersetzen, den sie leider immer noch nicht in Erfahrung gebracht hatten.
    Dabei war dieser grauhaarige Herr sozusagen ein Dauerkunde, der zuweilen sogar mehrmals am Tage kam und jedesmal mit einem Fünfzigpfennigstück bezahlte. Da er auch bei strahlender Sonne immer einen Regenschirm bei sich trug, hieß er bei den Jungen ganz einfach „Regenschirm“. Irgendwie mußten sie doch eine Bezeichnung für ihn haben.
    „Stell mal das Ding so lange in die Ecke“, sagte der Herr ; denn selbstverständlich hatte er auch jetzt wieder seinen Regenschirm bei sich. Peter war schon eine ganze Weile beim Putzen und Bürsten, da machte er plötzlich eine Pause und sah auf. „Wenn Sie kommen, freu’ ich mich immer!“ So ganz aus heiterem Himmel und ohne sich etwas dabei zu denken, sagte er das.
    „Regenschirm“ hielt den Kopf ein wenig schief und lächelte. „Das ist nett“, meinte er nur.
    Peter machte sich schon wieder mit seiner Bürste zu schaffen, da fiel ihm erst ein, daß man das, was er gesagt hatte, ja vielleicht auch mißverstehen könnte. Bei diesem Gedanken wurde er rot im Gesicht wie ein kleines Mädchen, das beim Vorsingen plötzlich die zweite Strophe des Liedes vergessen hat.
    „Verstehen Sie mich nicht falsch“, versuchte Peter zu erklären, „das hat nichts mit den fünfzig Pfennigen zu tun, die Sie uns jedesmal geben. Es ist wegen Ihrer Schuhe. Wenn man immer nur Schuhe putzt, dann -dann bekommen Schuhe regelrechte Gesichter. Mir geht es wenigstens so. Aber das finden Sie bestimmt zum Lachen.“
    „Regenschirm“ fand das gar nicht zum Lachen. Das sagte er aber nicht. Im Augenblick sagte er überhaupt nichts. Zuerst schaute er Peter eine Weile an. Dann hielt er wieder den Kopf ein wenig schief und sah auch zum Sheriff hinüber, der gerade sehr sorgfältig mit einer Gummibürste an den giftgrünen Wildlederschuhen herumhantierte. Der lange Kerl hatte dabei sein Gesicht ganz dicht über den Schuhen und den Rücken gekrümmt wie eine Katze, die eine Maus entdeckt.
    „Das geht dir mit deinen Schuhen nicht allein so“, sagte jetzt „Regenschirm“. „Ich kann mir denken, daß für einen Tischler Stühle und Schränke Gesichter haben, für einen Schneider Hosen und Röcke und für einen Motorschlosser vielleicht sogar Autos. - Wenn man seinen Beruf liebt, ist das so. Dann bekommen die Dinge, mit denen man zu tun hat, so etwas wie Leben, eben Gesichter.“
    Peter dachte über das, was „Regenschirm“ gesagt hatte, noch eine Sekunde nach. Die
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