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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Junggesellentage
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wird ihn nicht fesseln. In Broom Hall wird
er nicht länger als eine Woche bleiben, wette ich. Schließlich hält ihn hier
nichts.»
    «Nichts?»
sagte seine Cousine mit einem aufreizenden Lächeln in ihrem hübschen Gesicht.
    «Nichts!»
stellte er fest, durch ihre widerliche Selbstzufriedenheit aufgebracht. «Und
wenn du glaubst, er muß dich nur ansehen, um sich in dich zu verlieben, schätzt
du die Dinge falsch ein. Ich wette, er ist mit Dutzenden Mädchen befreundet,
die viel hübscher sind als du!»
    «Gewiß
nicht!» sagte sie und fügte einfach hinzu: «Das gibt es nicht!»
    «Unabsichtlich
protestierte Miss Chartley: «Oh, Tiffany, wie sprichst du?! Entschuldige, aber
so solltest du wirklich ...»
    «Es ist
absolut wahr!» wendete Miss Wield ein. «Ich habe mein Gesicht nicht gemacht,
warum soll ich nicht sagen, daß es schön ist? Sagt es doch jeder!»
    Der junge
Mr. Underhill widersprach, aber Miss Chartley war still. Selbst ein so
bescheidenes Mädchen wie sie war über solche Selbstverherrlichung entsetzt;
aber sie mußte zugeben, daß Tiffany Wield das schönste Mädchen war, das sie je
gesehen hatte, oder das sie sich vorstellen konnte. Alles an ihr war
Perfektion. Nicht der voreingenommenste Kritiker hätte sagen können, daß sie
leider zu groß – oder zu klein sei, oder daß die Nase ihre Schönheit
beeinträchtige, oder daß sie im Profil nicht ganz so schön sei. Sie ist schön,
wie immer man sie betrachtet, dachte Miss Chartley. Selbst ihre schwarzen
Locken über den
geschwungenen Brauen ringelten sich natürlich. Wohl waren es die tiefblauen
Augen hinter langen schwarzen Wimpern, die die Aufmerksamkeit zuerst erregten;
aber schon der zweite Blick fiel auf eine kleine, gerade Nase, bezaubernd
geformte Lippen und einen Teint, der an reife Pfirsiche erinnerte. Sie war erst
siebzehn Jahre alt, aber ihre Figur wurde weder von Babyfett noch von
unangenehmen Kanten entstellt. Und sobald sie den Mund öffnete, zeigte sie eine
gleichmäßige Perlenreihe von Zähnen.
    Ehe Tiffany
nach Staples, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte, zurückgekehrt war, galt
Patience Chartley als das hübscheste Mädchen im ganzen Umkreis; nun war sie von
Tiffany vollkommen ausgestochen worden. Patience war im Glauben erzogen, daß
Schönheit nicht wichtig sei; aber wenn ihr Vater, derselbe, der sie in diesem
Sinne erzogen hatte, sagte, es bereite ihm Vergnügen, Tiffanys liebliches
Gesicht zu sehen, mußte man Patiences wehmütige Gefühle verzeihen. Denn
Patience dachte oft, wenn sie sich, ihr weiches braunes Haar vor dem Spiegel
bürstend, betrachtete, daß niemand sie ein zweites Mal ansehen würde, wenn
Tiffany anwesend war. Sie nahm ihre Minderwertigkeit sanft hin und war so frei
von jeder Eifersucht, daß sie wünschte, Tiffany würde nicht in einer solchen
Art sprechen, die sicherlich ihre Anbeter abschrecken mußte.
    Mrs.
Underhill, die offensichtlich diese Anschauung teilte, sagte mit freundlicher
Stimme, die mehr eine Bitte als einen Tadel enthielt: «Nun, Tiffany-Herzchen,
du solltest nicht so sprechen. Was würden die Leute denken, wenn sie dich
hörten? Es ist nicht schicklich – das wird dir auch Miss Trent sagen.»
    «Das
kümmert mich wenig!»
    «Nun, das
zeigt, welch dumme Gans du bist!» fiel Charlotte ein, eine Lanze für ihr Idol
brechend. «Miss Trent ist viel vornehmer als du oder irgendeine von uns und ...»
    «Danke,
Charlotte, jetzt ist es genug!»
    «Es ist
doch wahr!» rebellierte Charlotte zaghaft.
    Ohne auf
sie zu achten, sagte Miss Trent zu Mrs. Underhill: «Nein, Ma'am, weder
schicklich noch klug.»
    «Warum?»
wollte Tiffany wissen.
    Miss Trent
sah sie gedankenvoll an: «Weißt du, es ist sonderbar, aber ich habe oft
bemerkt, daß du immer, wenn du mit deiner Schönheit prahlst, ein Stückchen
davon verlierst. Das kommt wohl von einer Veränderung in deinem
Gesichtsausdruck.»
    Erschrocken
lief Tiffany zu dem verzierten Spiegel, der über dem Kamin hing. «Ist das
wahr?» fragte sie naiv. «Sehe ich wirklich anders aus, Ancilla?»
    «Ja,
entschieden», erwiderte Miss Trent; sie zögerte nicht einen Augenblick zu
lügen. «übrigens, wenn eine Frau sich selbst bewundert, werden die Leute
verstimmt und sie wird bald erfahren müssen, daß man ihr weniger Komplimente
zollt als den anderen Mädchen in ihrem Bekanntenkreis. Und nichts ist doch
angenehmer als ein hübsch vorgebrachtes Kompliment.»
    «Das ist
wahr!» rief Tiffany sehr beeindruckt. Sie brach in Lachen aus und flog quer
durch das
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