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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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Rezessionsneigung der Weltwirtschaft, wodurch sich wiederum die Finanzlage von Staaten verschlechtert. Es ist ein perfekter Teufelskreis.
    Dieser kann nur durchbrochen werden, indem der Bond-Run so schnell wie möglich gestoppt wird. Eine Möglichkeit wäre die gemeinsame Haftung der Mitglieder der Eurozone für Staatsanleihen. Aber wie die Reaktion der Regierung Angela Merkel auf einen kürzlich erfolgten Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gezeigt hat, stehen die Aussichten für eine solche Lösung nicht besonders gut.
    Eine Alternative ist der in der Financial Times vom 25. Oktober skizzierte Soros-Plan [siehe Seite 154 f.]. Die offiziellen Stellen könnten die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) einsetzen, um die Europäische Zentralbank in die Lage zu versetzen, als letzter Kreditgeber in der Not zu fungieren, ohne dadurch ihre Satzung zu verletzen. Die EZB würde praktisch unbegrenzte Mengen an Liquidität bereitstellen, während die EFSF die EZB gegen die Solvenzrisiken absichern würde, die sie eingehen würde. Wenn sie gemeinsam handeln würden, könnten sie die Liquiditätsprobleme der Banken lösen und finanzpolitisch verantwortungsvolle Staaten in die Lage versetzen, kurzfristige Staatsanleihen zu weniger als einem Prozent auszugeben.
    Leider haben die Politiker nicht einmal angefangen, über diesen Plan ernsthaft nachzudenken. Ursprünglich hatten sie die EFSF als Möglichkeit ins Auge gefasst, für Staatsanleihen zu bürgen. Wenn die EFSF als Bürge für das Bankensystem eingesetzt würde, müssten sie ihre Denkweise neu ausrichten. Als die EFSF im Juli erstmals vorgeschlagen wurde, hätte sie noch ausgereicht, um sich um Griechenland, Portugal und Irland zu kümmern. Doch seither hat sich die Ansteckung auf Italien und Spanien ausgebreitet und die Bemühungen, die EFSF zu hebeln, sind auf rechtliche und technische Schwierigkeiten gestoßen.
    Da der Soros-Plan einige Vorbereitungszeit benötigen würde, wäre es zwischenzeitlich an der EZB, sich mit der Situation zu befassen, die sich schnell verschlechtert. Am Montag, dem 14. November 2011, hat es der Bundesbankpräsident infrage gestellt, ob die EZB als letzter Kreditgeber agieren darf. Am Dienstag griff die Ansteckung auf die restliche Eurozone über. Die Finanzmärkte testen die EZB und wollen herausfinden, was sie alles darf.
    Die EZB darf bei dieser Prüfung auf keinen Fall durchfallen. Die Zentralbank muss den Bond-Run um jeden Preis stoppen, denn er gefährdet die Stabilität der Einheitswährung. Kurzfristig geschieht das am besten, indem die Rendite der Anleihen von Staaten, die eine verantwortliche Finanzpolitik betreiben und die keinen Anpassungsprogrammen unterliegen, gedeckelt wird. Anfangs könnte man die Obergrenze beispielsweise auf fünf Prozent legen und sie dann nach und nach senken, wenn es die Umstände zulassen. Wenn die EZB bereitstünde, unbegrenzte Mengen zu kaufen, würde sie im Endeffekt den Zinsdeckel in einen Boden verwandeln, von dem aus die Anleihepreise nach und nach steigen würden, ohne dass die EZB wirklich unbegrenzte Mengen aufzukaufen bräuchte. Genau das hat die Schweizer Regierung erfolgreich getan, als sie den Franken zu 120 an den Euro band.
    Normalerweise legen Notenbanken nur kurzfristige Zinsen fest, aber dies sind keine normalen Zeiten. Staatsanleihen, die als risikolos galten, als Finanzinstitute sie kauften, und die von den Regulierern immer noch so behandelt werden, haben sich in höchst riskante Vermögenswerte verwandelt. Italienische und spanische Anleihen gelten als zu riskant für den Kauf zu sieben Prozent Rendite, weil man sie für toxisch hält und die Rendite genauso gut auf zehn Prozent steigen könnte. Aber die gleichen Anleihen könnten beispielsweise zu vier Prozent im derzeitigen deflationären Umfeld durchaus attraktive langfristige Anlagen sein, wenn das überzogene Risiko durch die verordnete Zinsdeckelung auf fünf Prozent beseitigt würde.
    Die aktuellen Bond-Runs sind dadurch zustande gekommen, dass die Ansichten der staatlichen Stellen zu den Anleihekäufen der EZB hart aufeinanderprallen. Die Bundesbank war und ist lautstark dagegen. Aber die Deflationsgefahr ist real und wird so langsam sogar in Deutschland anerkannt. Die Satzung der EZB verlangt die Erhaltung der Preisstabilität, wozu es gehört, hinsichtlich Inflation und Deflation die gleiche Sorgfalt walten zu lasen. Die herrschende Asymmetrie steht nicht
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