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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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gemeinsamen Finanzministeriums. Die Krise selbst brach dann mehr als ein Jahr später im Jahr 2010 aus.
    Es gibt gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Eurokrise und der Subprime-Krise, die den Crash 2008 ausgelöst hat. In beiden Fällen hat ein vermeintlich risikoloser Vermögenswert – 2008 besicherte Schuldpapiere (CDOs), die vor allem auf Hypothekendarlehen basierten, und jetzt europäische Staatsanleihen – einen Teil seines Wertes oder seinen gesamten Wert verloren.
    Leider ist die Eurokrise schwerer zu bewältigen. Im Jahr 2008 waren die US-Finanzbehörden, die für die Reaktion auf die Krise nötig waren, zur Stelle. In der Eurozone muss eine dieser Behörden, nämlich das gemeinsame Finanzministerium, erst noch ins Leben gerufen werden. Dafür ist ein politischer Prozess erforderlich, an dem mehrere souveräne Staaten beteiligt sind. Dies hat dazu geführt, dass das Problem so gravierend wurde. Es fehlte von vornherein an dem politischen Willen, ein gemeinsames europäisches Finanzministerium zu schaffen. Und seit der Zeit, als der Euro geschaffen wurde, hat der politische Zusammenhalt der Europäischen Union stark nachgelassen. Infolgedessen gibt es für die Eurokrise keine auf der Hand liegende Lösung. In Ermangelung einer solchen versuchen die Verantwortlichen, sich Zeit zu erkaufen.
    In einer gewöhnlichen Finanzkrise funktioniert diese Taktik: Im Laufe der Zeit flaut die Panik ab und das Vertrauen kehrt zurück. Aber in diesem Fall arbeitet die Zeit gegen die offiziellen Stellen. Da der politische Wille fehlt, werden die Probleme weiterhin immer größer, während auch die Politik immer mehr vergiftet wird.
    Um das politisch Unmögliche möglich zu machen, ist eine Krise nötig. Unter dem Druck einer Finanzkrise unternehmen die Politiker alle Schritte, die notwendig sind, um das System zusammenzuhalten, aber sie tun nur das Notwendigste, was die Finanzmärkte dann bald als unzureichend wahrnehmen. Und so führt eine Krise zur anderen. Somit ist Europa zu einer scheinbar endlosen Serie von Krisen verurteilt. Maßnahmen, die funktioniert hätten, wenn sie früher ergriffen worden wären, erweisen sich zu der Zeit, zu der sie politisch möglich werden, als unzureichend. Dies ist der Schlüssel zum Verständnis der Eurokrise.
    Wo stehen wir jetzt in diesem Prozess? Die Umrisse der fehlenden Zutat, nämlich eines gemeinsamen Finanzministeriums, beginnen sich abzuzeichnen. Sie sind in der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) – auf die sich im Mai 2010 sieben EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben – und in ihrem Nachfolger ab 2013, dem Europäischen Finanzierungsmechanismus (EFM), zu finden. Aber die EFSF ist nicht ausreichend mit Kapital ausgestattet und ihre Funktionen sind nicht ausreichend definiert. Sie soll einen Rettungsschirm für die gesamte Eurozone darstellen, wurde aber in Wirklichkeit auf die Finanzierung der Rettungspakete für drei kleine Länder zugeschnitten: Griechenland, Portugal und Irland. Für die Stützung größerer Länder wie Spanien oder Italien ist sie nicht groß genug. Auch war sie ursprünglich nicht dafür gedacht, die Probleme des Bankensystems zu bewältigen, auch wenn ihre Reichweite nachträglich auf Banken und souveräne Staaten ausgeweitet wurde. Ihr größter Mangel ist, dass sie ein reiner Mechanismus zur Mittelbeschaffung ist. Die Befugnis, das Geld auszugeben, verbleibt bei den Regierungen der Mitgliedstaaten. Dadurch wird die EFSF für die Reaktion auf eine Krise nutzlos. Sie muss Anweisungen von den Mitgliedsländern abwarten.
    Verschlimmert wird die Situation noch durch eine kürzlich erfolgte Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts. Das Gericht befand zwar, dass die EFSF verfassungsgemäß ist, untersagte jedoch künftige Garantien zugunsten weiterer Staaten ohne vorherige Zustimmung durch den Haushaltsausschuss des Bundestags. Dies wird den Handlungsspielraum der deutschen Regierung in der Bewältigung künftiger Krisen stark einschränken.
    Der Keim für die nächste Krise wurde bereits durch die Art gelegt, wie die Behörden auf die letzte Krise reagiert haben. Sie haben das Prinzip akzeptiert, dass Länder, die Hilfe bekommen, keine Strafzinsen bezahlen sollten, und sie haben die EFSF als Mittelbeschaffungsmechanismus für diesen Zweck eingerichtet. Hätten sie dieses Prinzip von Anfang an akzeptiert, wäre die Griechenlandkrise nicht so gravierend geworden. Doch so breitet sich die Ansteckung – in Form der zunehmenden Unfähigkeit,
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