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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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Verantwortlichen mit ihrer Politik, mit der sie das Problem vor sich herschieben, das Ende der Fahnenstange erreicht. Selbst wenn eine Katastrophe abgewendet werden kann, ist eines sicher: Der Druck zur Verminderung der Defizite wird die Eurozone in eine langwierige Rezession drängen. Dies wird unabsehbare politische Konsequenzen haben. Die Eurokrise könnte den politischen Zusammenhalt der Europäischen Union gefährden.
    Aus diesem düsteren Szenario gibt es so lange kein Entkommen, wie die Verantwortlichen an ihrem derzeitigen Kurs festhalten. Sie könnten diesen Kurs aber auch ändern. Sie könnten anerkennen, dass sie das Ende der Fahnenstange erreicht haben, und radikal anders an die Sache herangehen. Anstatt hinzunehmen, dass keine Lösung in Sicht ist, und zu versuchen, Zeit zu kaufen, könnten sie zuerst eine Lösung suchen und dann einen Pfad finden, der dahin führt. Der Pfad, der zu einer Lösung führt, muss in Deutschland gefunden werden, das als größter und am höchsten gerateter Gläubiger der EU in die Position gedrängt wird, über die Zukunft Europas zu entscheiden.
    Ich schlage vor, diesen Ansatz zu untersuchen.
    Um eine Krise zu lösen, in der das Unmögliche möglich wird, muss man über das Undenkbare nachdenken. So ist es zunächst einmal geboten, sich in den Fällen Griechenland, Portugal und vielleicht auch Irland auf die Möglichkeit eines Staatsbankrotts und eines Ausstiegs aus der Eurozone vorzubereiten.
    Um eine finanzielle Kernschmelze zu verhindern, müssten vier Maßnahmenbündel ergriffen werden.
    Erstens müssen die Bankeinlagen geschützt werden. Wenn ein Euro, der bei einer griechischen Bank eingelegt ist, für den Einleger verloren wäre, dann wäre ein bei einer italienischen Bank eingelegter Euro weniger wert als ein Euro auf einer deutschen oder niederländischen Bank und es würde zu einem Run auf die Banken der anderen Defizitländer kommen. Zweitens müssen einige Banken in den Bankrottländern funktionsfähig gehalten werden, damit nicht die Wirtschaft zusammenbricht. Drittens müsste das europäische Bankensystem rekapitalisiert und unter europäische Aufsicht statt nationale Aufsicht gestellt werden. Viertens müssten die Staatsanleihen anderer Defizitländer vor einer Ansteckung geschützt werden. Die beiden letzten Anforderungen würden sogar dann gelten, wenn kein Land bankrottgehen würde.
    All das würde Geld kosten. Nach den bestehenden Vereinbarungen ist kein Geld mehr vorhanden und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt keine neuen Vereinbarungen ohne Zustimmung des Bundestags zu. Es gibt keine Alternative zur Geburt der fehlenden Zutat: eines europäischen Finanzministeriums mit der Befugnis, Steuern zu erheben und sich somit auch Geld zu leihen. Dafür wäre ein neuer Vertrag erforderlich, der die EFSF in ein ausgewachsenes Finanzministerium verwandeln würde.
    Dies würde besonders in Deutschland einen radikalen Sinneswandel voraussetzen. Die deutsche Öffentlichkeit meint immer noch, sie hätte die Wahl, ob sie den Euro unterstützen oder aufgeben soll. Das ist ein Fehler. Der Euro existiert und die Guthaben und die Verbindlichkeiten des Finanzsystems sind aufgrund der gemeinsamen Währung derart miteinander verwoben, dass ein Zusammenbrechen des Euros eine Kernschmelze nach sich ziehen würde, die über die Eindämmungskapazitäten der staatlichen Behörden hinausgehen würde. Je länger die deutsche Öffentlichkeit braucht, das zu begreifen, umso höher wird der Preis, den sie und der Rest der Welt bezahlen müssen.
    Die Frage ist, ob man die deutsche Öffentlichkeit mit diesem Argument überzeugen kann. Angela Merkel mag zwar nicht in der Lage sein, ihre eigene Koalition zu überzeugen, aber sie sollte auf die Opposition zurückgreifen. Wenn sie die Eurokrise gelöst hätte, bräuchte sie weniger Angst vor den nächsten Wahlen zu haben.
    Die Tatsache, dass Vorkehrungen für den möglichen Staatsbankrott oder den Ausstieg der erwähnten drei kleinen Länder getroffen würden, bedeutet nicht, dass sie aufgegeben würden. Im Gegenteil würde die Möglichkeit einer geordneten Insolvenz – bezahlt von den anderen Ländern der Eurozone und vom IWF – Griechenland und Portugal Wahlmöglichkeiten bieten. Außerdem würde dies den Teufelskreis durchbrechen, der jetzt alle Defizitländer bedroht: Die Sparpolitik schwächt ihre Wachstumsaussichten, was dazu führt, dass die Anleger enorm hohe Zinsen fordern, was wiederum die Regierungen zwingt, die
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