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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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senken. Dann würde sie die betroffenen Länder dadurch anspornen, sich vollständig selbst zu finanzieren, dass sie kurzfristige Staatsanleihen ausgeben und die Banken ermuntern würde, sie zu kaufen. Die Banken könnten diese kurzfristigen Anleihen bei der EZB rediskontieren, würden dies aber so lange nicht tun, wie sie daran mehr verdienen würden als an Bareinlagen. Somit könnten sich Italien und die anderen Länder während dieser Notfallperiode für rund ein Prozent im Jahr refinanzieren. Allerdings wären die betroffenen Länder einer strikten Disziplin unterworfen, denn wenn sie über die vereinbarten Grenzen hinausgehen würden, würde die Fazilität zurückgezogen werden. Weder die EZB noch die EFSF würden dann weitere Anleihen am Markt kaufen und zulassen, dass der Markt die Risikoprämien festlegt. Sobald die Prämien wieder auf eher normale Niveaus zurückgekehrt wären, würden die betroffenen Länder beginnen, Anleihen mit längerer Laufzeit zu begeben.
    Diese Maßnahmen würden es ermöglichen, dass Griechenland bankrottgeht, ohne eine globale Kernschmelze zu verursachen. Das heißt aber nicht, dass Griechenland in den Bankrott gezwungen würde. Wenn Griechenland seine Ziele erfüllt, könnte die EFSF eine „freiwillige“ Umschuldung zu beispielsweise 50 Cent auf den Euro garantieren. Die EFSF hätte dann noch genug Geld übrig, um für die europäischen Banken zu bürgen und sie zu rekapitalisieren, und die Rekapitalisierung der griechischen Banken bliebe dem IWF überlassen. Wie es Griechenland unter diesen Umständen ergehen würde, bliebe den Griechen überlassen.
    Ich glaube, diese Schritte würden die akute Phase der Eurokrise beenden, indem sie ihre beiden Hauptursachen stark dämpfen und die Märkte dahingehend beruhigen würde, dass eine längerfristige Lösung absehbar ist. Die längerfristige Lösung wäre allerdings komplizierter, weil das von der EZB auferlegte Regime keinen Spielraum für steuerliche Anreize lassen würde und weil das Schuldenproblem ohne Wachstum nicht gelöst werden kann. Die Schaffung praktikabler fiskalischer Vorschriften für den Euro würde in den Vertragsverhandlungen erfolgen.
    Hinter verschlossenen Türen wird noch über viele andere Vorschläge diskutiert. Die meisten versuchen, die EFSF zu hebeln, indem sie sie in eine Bank oder in eine Versicherung verwandeln oder indem sie eine Zweckgesellschaft einsetzen. Zwar dürften alle diese Vorschläge vorläufige Erleichterung bringen, aber die nachfolgende Enttäuschung könnte die Märkte über den Abgrund stoßen. Wahrscheinlich werden die Märkte unzulängliche Vorschläge durchschauen, vor allem wenn sie gegen Artikel 123 des Vertrags von Lissabon verstoßen, der von meinem Vorschlag peinlich genau eingehalten wird. Dabei könnte eine Form der Hebelung nützlich für die Rekapitalisierung der Banken sein.
    Für die hier skizzierte Vorgehensweise ist es nicht nötig, die EFSF zu hebeln oder zu vergrößern, aber sie ist radikaler, weil sie die Banken unter die Kontrolle Europas stellt. Dies dürfte sowohl bei den Banken als auch bei den nationalen Behörden Widerspruch hervorrufen. Nur öffentlicher Druck kann zur Umsetzung führen.

EINE WEGBESCHREIBUNG DURCH DAS MINENFELD EUROZONE
Financial Times , 13. Oktober 2011
    Am Mittwoch hat eine Gruppe von fast 100 prominenten Europäern den Regierungschefs aller 17 Länder der Eurozone einen offenen Brief zukommen lassen. In dem Brief stand mit vielen Worten, was die europäischen Regierungschefs inzwischen offenbar begriffen haben: Sie können das Problem nicht immer weiter vor sich herschieben. Der Weg, auf dem sie es vor sich herschieben, wurde vom deutschen Bundesverfassungsgericht blockiert. Den europäischen Stabilitätsfonds hält es zwar für verfassungsgemäß, aber es hat verkündet, dass keine weiteren Transfers mehr ohne Zustimmung des Bundestags zulässig sind. Außerdem haben die Regierungschefs begriffen, dass es nicht ausreicht, wenn sie dafür sorgen, dass die Staaten ihre Schulden zu vernünftigen Zinsen finanzieren können, sondern dass sie auch im Hinblick auf das Bankensystem etwas tun müssen.
    Da die Banken der Eurozone mit der Aussicht konfrontiert sind, sich in einer Zeit zusätzliches Kapital beschaffen zu müssen, zu der ihre Aktien zu einem Bruchteil ihres Buchwerts gehandelt werden, haben sie einen mächtigen Anreiz, ihre Bilanzen zu verkleinern, indem sie Kreditlinien zurücknehmen und ihre Darlehensportfolios verkleinern. Die
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