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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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hatte Jossie ihn erschossen, aber
das war natürlich nicht so ein symbolischer Akt der Wiedergutmachung wie die
Vorstellung, dass Jossie jemandem das Leben gerettet hatte, ehe er die Welt
von seiner Anwesenheit erlöst hatte. Die Boulevardzeitungen weideten lieber
die erste Version aus.
    Eine Woche lang prangte ein
Kinderfoto von lan Barker neben einem von Gordon Jossie auf den Titelseiten.
Einige Zeitungen fragten tatsächlich, wie es möglich war, dass niemand in
Hampshire den Mann erkannt hatte, aber wie hätte irgendjemand in einem
wortkargen Dachdecker den Jungen von damals wiedererkennen sollen, der, wie die
Schreiberlinge offenbar annahmen, einen Pferdefuß hatte und Hörner unter
seiner Schulmütze verbarg? Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, in
Hampshire nach lan Barker zu suchen, der dort ein unauffälliges Leben führte.
    Die Anwohner der Paul's Lane
wurden interviewt. »Ich habe nichts geahnt« und »Von jetzt an schließe ich
meine Haustür ab«, lauteten die Kommentare. Zachary Whiting und ein Sprecher
des Innenministeriums ließen sich darüber aus, welche Pflichten die Polizei
hatte, wenn einer Person eine neue Identität gegeben wurde, und ein paar Tage
lang gab es immer wieder Meldungen, Michael Spargo und Reggie Arnold wären irgendwo
erkannt worden. Die Geschichte verblasste erst, als sich ein Mitglied der
königlichen Familie in Mayfair um 3:45 Uhr morgens ein Handgemenge mit einem
Paparazzo lieferte.
    Rob Hastings hatte es
geschafft, das alles durchzustehen, ohne mit einem einzigen Journalisten zu
sprechen. Er ließ den Anrufbeantworter eingeschaltet und rief niemanden zurück.
Er hatte kein Interesse daran, irgendjemandem zu erzäh len, wie
der kürzlich verstorbene lan Barker in sein Leben getreten war. Noch weniger
Interesse hatte er daran zu erklären, wie seine Schwester mit dem Mann
zusammengekommen war. Inzwischen wusste er, warum Jemima nach London gegangen
war. Aber er verstand nicht, warum sie sich ihm nicht anvertraut hatte.
    Darüber
zerbrach er sich tagelang den Kopf und fragte sich immer wieder, was es
bedeutete, dass seine Schwester ihm nicht gesagt hatte, was sie aus Hampshire
fortgetrieben hatte. Er neigte nicht zur Gewalttätigkeit, und das hatte sie
zweifellos gewusst, also würde sie wohl kaum damit gerechnet haben, dass er
Jossie zur Rede stellen und ihm Gewalt antun würde, weil er Jemima getäuscht
hatte. Was hätte das auch gebracht? Und ein Geheimnis konnte er für sich
behalten, auch das musste Jemima gewusst haben. Von allem anderen abgesehen,
hätte er seine Schwester, ohne Fragen zu stellen, liebend gern wieder bei sich
in der Honey Lane aufgenommen, wenn sie ihn darum gebeten hätte.
    Letztlich
musste er sich fragen, was das alles über ihn selbst aussagte. Aber die einzige
Antwort, die ihm darauf einfiel, warf wiederum eine neue Frage auf: Was hätte
es gebracht, wenn du die Wahrheit gewusst hättest, Robbie? Und diese Frage zog
die nächste nach sich: Was hättest du denn unternommen - du, der sein Leben
lang immer zu viel Angst gehabt hat, um zu handeln?
    Es war das
Warum hinter dieser Angst, womit er nach all den Enthüllungen und Todesfällen
nicht umgehen konnte. Das Warum hinter dieser Angst führte auf direktem Weg zum
Kernpunkt seines Charakters, dem Wer und dem Was er war. Alleinstehend, aber
nicht, weil er sich dafür entschieden hätte. Alleinstehend, aber nicht aus
Notwendigkeit. Alleinstehend, aber nicht aus Neigung. Die traurige Wahrheit
lautete, dass er und seine Schwester einander sehr ähnlich gewesen waren. Nur
die Art und Weise, wie sie sich durchs Leben geschlagen hatten, war
unterschiedlich.
    Als ihm das
nach endlosen Tagen, die er im New Forest ziellos umhergeritten war, klar
geworden war, hatte er sich endlich entschlossen, nach Cadnam zu fahren. Er
wählte den Spätnachmittag, in der Hoffnung, Meredith allein im Haus ihrer
Eltern anzutreffen, sodass sie unter vier Augen miteinander reden konnten.
    Aber es
hatte nicht sollen sein. Ihre Mutter war da. Und Cammie ebenfalls. Sie kamen
gemeinsam an die Tür.
    Er hatte
Janet Powell schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Als Jemima und Meredith
noch jünger waren, hatten er und Merediths Mutter sich regelmäßig getroffen,
wenn die Mädchen irgendwo abgeholt oder hingebracht werden müssten. Aber
seitdem sie beide den Führerschein gemacht hatten und nicht mehr hin- und
hergekarrt werden müssten, war er der Frau nicht mehr begegnet. Er erkannte sie
jedoch sofort wieder.
    »Mrs.
Powell.
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