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Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)

Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)

Titel: Gelobtes Land: Meine Jahre in Stalins Sowjetunion (German Edition)
Autoren: Eugen Ruge , Wolfgang Ruge
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Texte über Lenin, die ich 2010 zu einem Buch zusammengefasst und gemeinsam mit Wladislaw Hedeler unter dem Titel «Lenin – Vorgänger Stalins» bei Matthes & Seitz, Berlin, herausgegeben habe. Daneben schreibt er ungezählte Zeitungsartikel und hält etliche Vorträge zu ähnlichen Themen.
    Wie immer man diese Arbeiten beurteilt, Wolfgang Ruge scheint in dieser Periode seines Lebens geradezu besessen von dem Wunsch, endlich die unverblümte Wahrheit schreiben und sagen zu können. Jahrzehntelang hat er sich als Historiker mit der Weimarer Republik und mit dem Nationalsozialismus beschäftigt, und wenn er bei diesen Themen nur in geringem Umfang gezwungen war, seine Überzeugungen anzupassen oder zu verleugnen, so blieben die Kernthemen seines Lebens im Grunde stets ausgespart. Jetzt ist es, als wolle Wolfgang Ruge alles Unterdrückte, Verleugnete in wenigen Jahren nachtragen. Allerdings – jetzt, wo alles gesagt werden darf, ist das Interesse an dem Gesagten begrenzt. Es gibt für den Ex-DDR-Historiker kaum Publikationsmöglichkeiten, und seine häufig im ehemaligen Parteiorgan «Neues Deutschland» veröffentlichten Glossen regen die ehemaligen Genossen so auf, dass er Beschimpfungen und sogar Morddrohungen erntet. Für die einen «Altkommunist», für die anderen «Antikommunist», beginnt er, politisch zu vereinsamen. Auch der einstige Freundeskreis zerstreut sich zusehends. Der Tod seiner Frau (1993) macht ihm zu schaffen.
    Als er die Arbeit an seiner Lebensgeschichte im Jahr 1998 endlich wieder aufnimmt, ist er 81. Ob er die eigene Geschichte für weniger wichtig hält als die inzwischen verfassten Arbeiten oder ob er die Zeit gebraucht hat, um emotional, aber auch gedanklich der sich schlagartig verändernden Weltlage nachzukommen, sei dahingestellt. Fest steht, dass sich in dem Text, den er nun weiterschreibt, allmählich Anzeichen geistiger Erschöpfung bemerkbar zu machen beginnen. Sprachliche Nachlässigkeiten schleichen sich ein. Für Außenstehende noch nicht wahrnehmbar, im Alltag nicht spürbar, hat bei Wolfgang Ruge ein Prozess eingesetzt, den die Ärzte bald mit dem Begriff Alzheimer-Demenz belegen werden.
    Es ist seiner guten Bekannten, Helga Gottschlich, zu verdanken, dass Wolfgang Ruge rechtzeitig den Gedanken aufgibt, eine komplette Biographie zu vollenden. Daraus ergibt sich allerdings das Problem, dass der erste, noch in den achtziger Jahren geschriebene Teil, der als Gesamt biographie angelegt war, nun grundlegend überarbeitet werden muss.
    Das unmittelbare Resultat dieser ersten Überarbeitung liegt nicht vor. Was vorliegt, ist lediglich die Überarbeitung dieser Überarbeitung, welche mit Hilfe und unter dem Einfluss von Helga Gottschlich zustande kam.
    Diese Überarbeitung betrifft beide Teile des Manuskripts (achtziger und neunziger Jahre). Der Text hat nun die Form eines selbständigen, aus der Familiengeschichte herausgelösten Projekts. Die Geschichte beginnt konsequenterweise mit der Flucht aus Deutschland; Kindheit und frühe Jugend werden in Rückblenden nachgetragen. Der Achtziger-Jahre-Teil wird dabei stark gekürzt, zu Recht, denn trotz des schon beachtlichen zeitlichen Abstands war es Wolfgang Ruge nicht immer gelungen, einen ausreichenden inneren Abstand zum Stoff zu entwickeln, neben erstaunlichen Bekenntnissen und wertvollen, faktenreichen Berichten gab es hier auch Überflüssiges, allzu Detailliertes, zahlreiche Auslassungen schienen durch die Wende überholt, da sie vom Wissens- und Erfahrungsstand eines DDR-Bürgers ausgehen.
    Andererseits sind gerade die letztgenannten Passagen nicht immer uninteressant, weil sie die inselhafte Schreibsituation Wolfgang Ruges spüren lassen; weil sie etwas von der DDR erzählen, von ihren Geheimnissen, Beschränkungen, Verboten. Das Rätselraten um die Opferzahlen der stalinistischen Herrschaft bringt vielleicht keinen wissenschaftlichen Gewinn, sagt aber viel über den Ort und die Zeit der Entstehung des Textes. Außerdem fallen den Streichungen einige Passagen über die Atmosphäre im Moskau der späten dreißiger Jahre zum Opfer, die durchaus erzählenswert scheinen.
    Zugleich wird der Text im Verlaufe der Überarbeitung hier und da durch philosophische Spekulationen angereichert oder «lyrisch» aufgebauscht. Auch in den Handlungsverläufen fallen winzige Unterschiede auf. Wenn in der ersten, in den Achtzigern geschriebenen Hälfte mitunter zu wenig Distanz zum Erlebten zu spüren war, so ist nach der zweiten Überarbeitung das
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