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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss
Autoren: Jo Hanns Roesler
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legte, ihm ist an jeder Straßenecke, als müßte er ihr begegnen. Mit ihr würde er jetzt in die Oper gehen oder ins Josef Städter Theater, nach Hietzing hinausfahren oder ins Kahlenbergerdörfl . Ohne sie ist er völlig hilflos. Er ärgert sich darüber. So war es noch nie. Er kommt sich verlassen vor, will keinen Menschen sehen, mit keinem Menschen reden. Ehe er aus dem Hotel geht, öffnet er den Koffer mit Birkes Kleidern. Das macht seine Stimmung nicht besser. Ihm fällt ein, daß er nicht einmal ihre Adresse kennt. Wenn sie nicht in die Bank zurückkommt, wo soll er sie finden?
    Als er das Hotel verläßt und den Ring überquert, am Hotel Bristol vorbei, an der Sirkecke , gegenüber der Staatsoper, dort, wo die Kärntner Straße in den Ring mündet, begegnet er Valerie. Er ist so in seine Gedanken versponnen, daß er sie zuerst überhaupt nicht erkennt. Was interessieren ihn weibliche Gesichter, wenn es nicht das Gesicht Birkes ist?
    »Hallo!« sagt Valerie.
    Er schaut sie fremd an.
    Dabei ist ihre Begegnung noch keine drei Wochen her. Jetzt erst fällt ihm alles wieder ein.
    »In Wien?« fragt Valerie.
    »Dasselbe könnte ich Sie fragen.«
    »Haben Sie etwas vor?«
    »Ja«, lügt Zanders.
    »Ich hätte wieder Appetit auf Hühner. Es müssen ja keine ungebratenen sein. Wie wäre es im Weißen Rauchfangkehrer?«
    »Vielleicht komme ich später nach.«
    »Sie sind sehr verändert. In Ihren Blue jeans und mit dem roten Bart gefielen Sie mir viel besser. Ich habe übrigens noch ein Pfand von Ihnen, Peter.«
    »Die goldene Tabatiere, ich weiß.«
    »Gilt es noch?«
    »Was soll noch gelten?«
    »Die Bedingung, unter der Sie mir das Pfand gaben.«
    »Ich habe sie vergessen. Es liegt Jahre zurück.«
    »Keine drei Wochen. Sie sagten damals: Die Dose gehört Ihnen, solange ich keine Frau finde, die mir besser gefällt. Es scheint, Sie haben diese Frau gefunden.«
    »Sieht man es mir an der Nasenspitze an?«
    »Verliebte Männer erkennt man schnell.«
    Sie sind schon zweimal das kurze Stück der Kärntner Straße vor der Oper auf und ab gegangen.
    »Es hat keinen Sinn, daß wir uns weiter unterhalten«, sagt Zanders.
    »Wie unfreundlich! Bin ich daran schuld, daß Sie damals im Hotel kein Zimmer bekamen?«
    »Ich war ohne einen roten Heller.«
    »Sie waren mein Gast im Wagen. Warum nicht im Hotel?«
    »Das ist etwas anderes. Ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf. Sie sind eine bezaubernde Frau, ich werde unser Frühstück da oben am Waldrand nie vergessen. Sie haben mein Herz aufgestört, wenn ich so sagen darf. Wenn ich es am gleichen Abend verlor...«
    »Am gleichen Abend?«
    »Ich hatte fest vor, zu Ihnen zurückzukommen. Ich ließ mich auf ein völlig albernes Spiel ein, Räuber und Gendarm.«
    »Sie waren der Räuber?«
    »Natürlich war ich der Räuber. Ich brauchte doch Geld.«
    »Und der Gendarm war weiblichen Geschlechts?«
    Er antwortet nicht. Er ist mit allen seinen Gedanken bei Birke. Ehe er es merkt, drückt ihm Valerie die goldene Tabatiere in die Hand.
    »Jetzt hat sie ihren Zweck erfüllt. Ich habe Sie wiedergesehen«, sagt Valerie.
    Zanders erwidert schnell:
    »Behalten Sie sie! Zur Erinnerung an einen beglückenden Tag!«
    »Das ist vorbei«, sagt Valerie, »außerdem war ich damals in einen Burschen verliebt, der einen roten Bart trug. Ehe er Ihnen wieder wächst...«
    »Ein Bart wächst in vier Wochen.«
    »Das mag sein. Aber ehe Sie in Ihrem jetzigen Zustand bereit sind, sich wieder einen roten Bart wachsen zu lassen — lassen wir es bei der Erinnerung! Wenn Sie heiraten sollten und sich vielleicht antik einrichten, meine Karte liegt in Ihrer Tabatiere.«
    Dann geht sie. Ohne ein Wort, ohne Abschied. Zanders will ihr nachlaufen. Aber ehe er sich besinnt, ist sie in einem Taxi verschwunden und fährt an ihm vorbei. Nicht einmal die Hand hebt sie. Sie sieht ihn nur an und versucht zu lächeln.
    Zanders wandert die Kärntner Straße hinunter, kommt an dem Geschäft vorbei, in dem er Birke den lustigen Sonnenschirm kaufte, biegt am Ende der Straße in den Graben ein und findet in der Dorotheergasse ein Lokal, das gerade geöffnet wurde. Es ist eine Bar, eine Bar mit billigem Programm. »Die Oase« nennt sie sich. Es ist keine sehr vornehme Bar, aber er weiß, daß er hier keine Bekannten treffen wird.
    Gelegentlich besucht Zanders gern diese zweifelhaft beleumundeten Lokale, die ein Programm zeigen. Das Programm besteht meist aus leichtbekleideten Tänzerinnen, bei denen, da sie nicht tanzen gelernt
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