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Geliebte Suenderin

Geliebte Suenderin

Titel: Geliebte Suenderin
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schon unterwegs, und jetzt würden sie die schmale, felsige Straße durch das Tal zum See entlangfahren und weiter durch die Nacht über den Fluß zur Nordsee bis zu dem Schiff, das sie in Sicherheit bringen sollte.
     
    Hüte dich dein Leben lang davor,
     
    Leute nach ihrem Aussehen zu beurteilen.
     
    Jean de La Fontaine
     
    England 1751

KAPITEL 1
    Ein gelber Lichtstrahl erhellte die schwarze Nacht, eine Nacht, die keine Zuflucht bot. Die Öffnung in den dicken Samtvorhängen, durch die der vorwitzige Strahl entwischt war, enthüllte ein freundlich bestrahltes Tableau, das scheinbar unberührt von der kargen Welt war, die hinter den exklusiven und undurchdringlichen Barrieren dieser vier vergoldeten Wände lag.
    Exotische Vögel und Putten schauten von der hohen Stuck-decke hinunter auf die Männer, die dort lachend und trinkend um eine reichbeladene Tafel saßen. Ihre Gläser waren mit Portwein und Rum gefüllt, und sie waren wohlgesättigt von dem üppigen Mahl, dem sie reichlich zugesprochen hatten.
    »Es ist Verrat, sag’ ich!« schimpfte Lord Malton laut. »Kein Respekt vor der Tradition. Eine Herde aufgeblasener Zwerggok-kel, der ganze Haufen!«
    »Was ist Verrat? Doch nicht schon wieder diese Jakobiter-Schotten?«
    »Nein, nein, nicht die Schotten. Perücken! Perücken, Mann, Perücken! Diese jungen Schnösel besitzen die Frechheit, Perük-ken abzulehnen. Sie laufen barhäuptig herum.« Lord Malton verschlug es die Stimme, und sein Gesicht unter der Masse gepuderter Locken lief rosa an.
    »Tragen keine Perücken? Wie barbarisch. Gebt mir ihre Namen, damit ich sie nicht aus Versehen zum Dinner lade«, sagte ein weiterer Gast mit verächtlichem Schniefer.
    »Ich könnte ja den Herzog bitten, ein ernstes Wörtchen mit ihnen zu reden, aber schaut euch nur seine unscheinbare Perücke an. Nein, der macht das nicht. Rasiert sich nicht mal den Kopf.«
    Lord Malton blickte bedeutungsvoll in die Runde. »Ich persönlich mach’ das. Dann sitzen die Dinger viel besser, und man hat nur halb soviel Ärger mit den Flöhen.«
    »Ich wünschte, er nähme sie an die Kandare. Ich hab’ schon erlebt, wie der Herzog mit losem Volk fertig wird.« Er warf einen verstohlenen Blick auf seine Tischnachbarn und fügte hinter vorgehaltener Hand hinzu: »Woher glaubt ihr wohl hat er die Narbe?«
    Der Gedanke an eine Konfrontation der beiden Parteien ließ die Herren kichern. Sie malten sich aus, welch grausames Schicksal die Emporkömmlinge erwartete, wenn der Herzog sich ihrer annähme.
    »Es ist eine ungeheure Ehre«, sagte Malton zu seinem Nachbarn, »den Herzog zu Besuch zu haben. Er ist selten hier in der Gegend, aber ich habe ein Stück Land zu verkaufen, und er wollte es als erster sehen. Solche Sachen macht er immer persönlich.« Lord Malton lächelte selbstzufrieden in Richtung Herzog.
    Der Herzog von Camareigh ahnte nicht, zu welchen Spekula-tionen seine Überredungskünste Anlaß gaben. Er starrte gelangweilt in sein fast leeres Glas und fragte sich, warum er Maltons Einladung angenommen hatte, anstatt sich in einem Gasthaus einzuquartieren. Er hatte vergessen, wie gräßlich langweilig diese ländlichen Dinnerparties waren. Mit einem zynischen Lä-
    cheln hob er sein Glas zum Trunk.
    »Was amüsiert Euch denn so, Euer Gnaden?« fragte Lord Newley mit einem sauertöpfischen Grinsen auf seinem verlebten Gesicht.
    »Ein bloßer Gedanke zu meinen Lasten, Newley, weiter nichts«, erwiderte der Herzog, und für einen Moment breitete sich das Lächeln über sein kantiges Gesicht aus und berührte kurz die schmale Narbe, die sich von seinem linken, hohen Backenknochen bis zum Mundwinkel zog. Sie gab seinem Gesicht fast etwas Bedrohliches, aber seine schwerlidrigen Augen mit den dichten Wimpern gaben nichts preis außer einem spöttischen Blick.
    »Ich hoffe, Ihr habt unsere Verabredung am Freitag nicht vergessen? Ich habe vor, das Paar Duellpistolen, das ich an Euch verloren habe, wieder zurückzugewinnen. Es ist mein bestes Paar, erstklassige deutsche Arbeit. Ich sollte eigentlich nicht gegen Euch spielen, Ihr seid so verdammt gut, oder vielleicht habt Ihr auch nur Glück«, sagte Lord Newley mißgünstig und rückte sich mit seiner schmalen Hand seine verrutschte Perücke zurecht.
    »Das ist kein Glück, sondern Können. Was kann ein Gentleman schon groß tun, außer sein Talent fürs Spiel zu steigern?«
    erwiderte der Herzog gelangweilt.
    »Und mit les jeunes filles, was?« kicherte Lord Newley mit einem Augenzwinkern zu
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