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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane
Autoren: Courtney Milan
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„Sieh an. Die Pfarrerstochter hat das Feilschen nicht verlernt. Gib es zu, Jess, ohne mich hättest du es nie so weit gebracht. Eigentlich schuldest du mir noch was.“
    Das stimmte, in gewisser Weise. Er hatte sie erschaffen, so wie sie heute war. Und genau deshalb war er ihr etwas schuldig. Es brachte nichts, von Rache zu träumen, wenn es ums blanke Überleben ging. „Dreitausend“, wiederholte sie kühl.
    „Eintausend“, konterte er. „Ruiniere ihn, dann sehen wir weiter.“
    Sie wollte verdammt sein, wenn sie sich darauf einließ. Doch war sie das nicht längst? Wie viel war ihr Seelenfrieden ihr wert?
    „Eintausendfünfhundert. Mein letztes Wort.“
    „Einverstanden.“ Er reichte ihr die Hand, als glaubte er ernstlich, sie würde einschlagen.
    Kurz erwog sie, sich den Schürhaken vom Kamin zu greifen und seine Hand beiseitezuschlagen. Der Schmerz würde ihn in die Knie zwingen … Die vorgestellte Wucht des Aufpralls riss sie aus ihren Wunschträumen. „Einverstanden“, sagte sie und stand auf.
    Seine Hand würde sie nicht nehmen. Nie wieder.

2. KAPITEL
    Shepton Mallet, zwei Wochen später
    E ndlich Ruhe.
    Sir Mark Turner war den Weg von dem kleinen Haus im Norden Shepton Mallets bis in die Stadt zu Fuß gegangen und hatte nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als jeder andere Neuankömmling, der früh des Morgens unterwegs wäre. Ein paar Mal hatte man ihm zugenickt, hier und da wohl etwas argwöhnisch geschaut, doch keine fiebernden Massen, keine Schreie des Entzückens. Niemand hatte sich an seine Fersen geheftet, sprachlos vor Staunen, dass er ohne zwölfköpfige Ehrengarde des Weges kam.
    Er hatte Abstand und Anonymität gewollt, um in Ruhe über das Angebot nachzudenken, dem Ausschuss für das neue Armengesetz beizutreten. Hier, in Shepton Mallet, hatte er beides gefunden.
    Unbehelligt stand er auf dem Marktplatz. Morgen würden die Händler auf ihm ihre Stände aufbauen, doch noch herrschte himmlische Stille.
    Mark war in Shepton Mallet aufgewachsen. Vieles war ihm aus der Kindheit vertraut – das Wirtshaus, die Rundarkaden auf der Mitte des Platzes mit den schmalen gotischen Türmchen, auf dessen höchstem ein Kreuz prangte, die ausgetretenen Pflastersteine. Etliches hatte sich in den zwei Jahrzehnten, die er fort war, aber auch verändert. Neue Gebäude waren hinzugekommen, Leute, an die er sich dunkel erinnerte, waren älter geworden. Auf dem Weg ins Dorf war er an einer einst florierenden Spinnerei vorbeigekommen, die nur mehr eine ausgebrannte Ruine war. Aber alles in allem ging der Wandel hier langsam vonstatten. Shepton Mallet war kein Vergleich zur hektischen Betriebsamkeit Londons. In der kleinen Ortschaft ging alles geruhsam zu. Selbst Schafe, denen er unterwegs begegnet war, schienen gemächlicher zu blöken als das städtische Vieh.
    Am Rand des Platzes unterhielten sich ein paar Leute miteinander. Sie waren zu weit entfernt, als dass er hätte verstehen können, was sie sagten, hörte nur den weichen Tonfall des ländlichen Somerset, das bei ihm – zumindest aus der Distanz – gar heimatliche Gefühle weckte. Er hatte seinen Dialekt längst verloren, war zu lange weg gewesen und hatte nun das Gefühl, seine Zunge sei zu schnell, zu scharf, um noch die vertrauten Klänge hervorzubringen. London preschte mit voller Kraft voran, Shepton Mallet trottete dahin wie eine Herde Kühe, die am Ende eines Sommertags von der Weide getrieben wurde.
    Wer seinen Namen hörte, mochte sich an seine Mutter erinnern. Vielleicht auch an seinen Vater, an den Mark keine Erinnerung hatte. Vielleicht dachten sie noch an das schmale, blasse Kind, das seine Mutter auf ihre wohltätigen Missionen begleitet hatte. Sir Mark Turner, von Victoria zum Ritter geschlagen, Autor des Breviers für Gentlemen , käme ihnen gewiss nicht in den Sinn. Hier sähe niemand das leuchtende Beispiel tadelloser Tugend in ihm.
    Gott sei Dank. Endlich diesem Wahnsinn entkommen.
    Langsam ließ er seinen Blick schweifen. Es war früh am Donnerstagmorgen, noch immer lag himmlischer Frieden über dem Platz. Mark lächelte still. Wie altbewährt und gediegen hier alles war. Umgeben von so viel Geschichte, würde es niemanden kümmern, wer er dieser Tage war.
    „Sir Mark Turner?“
    Mark fuhr herum. Ein rundlicher Mann stand vor ihm, im schwarzen Rock und weißen Kragen des Geistlichen, die Hand zögerlich zum Gruß gereicht.
    „Ich bin Alexander Lewis“, sagte der Mann und ließ seine Hand wieder sinken, „Pfarrer der
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