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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane
Autoren: Courtney Milan
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ab.
    „Ah ja“, sagte der Pfarrer. „Mrs Farleigh.“ Sein pikierter Ton ließ vermuten, dass Mrs Farleigh nicht zum erwünschten Umgang zählte; des Geistlichen Körperhaltung sprach jedoch eine andere Sprache. Er konnte die Augen kaum von ihr nehmen, sein Blick folgte ihr so begierig, dass es seinen entrüsteten Worten Hohn sprach. „Sehen Sie sich das nur an!“
    Mark war auch kein Freund zudringlicher Blicke. In Gedanken zog er eine gläserne Wand um sich. Mit jedem Atemzug vergegenwärtigte er sich, wer er war, woran er glaubte. Zug um Zug, Glasstein um Glasstein errichtete er eine Festung um sich, die seinem Verlangen Einhalt geböte, ehe es ein Eigenleben entwickelte. Er wollte Herr über seine Begierden sein, nicht andere darüber bestimmen lassen.
    Als er meinte, sich wieder im Griff zu haben, wagte er erneut einen Blick. Selbst jetzt, wo törichte Empfindungen sicher hinter Glas verwahrt waren, schien sie ihm – ganz objektiv betrachtet – noch immer umwerfend schön.
    „Sie ist seit zwei Wochen in der Stadt. Angeblich Witwe, doch hatte sie wenig über ihre Familie oder ihre Vergangenheit zu sagen. Vermutlich ist es auch besser so. Man braucht sie sich ja nur anzusehen, um sich den Rest zu denken.“
    Vermutlich, so dachte Mark, standen einem Pfarrer lüsterne Gedanken ebenso zu wie dem Rest der Menschheit. Es stand ihm indes nicht zu, Gerüchte in die Welt zu setzen. Mrs Farleigh sah auf, schaute über den Platz; ihr Blick fiel auf ihn. Ein leises Lächeln spielte um ihre Lippen.
    Es ging ihm durch und durch, durchdrang selbst die gläserne Festung, als wäre ein Blitz nicht unweit eingeschlagen. Noch immer lächelnd, ließ sie von den Kohlköpfen ab und spazierte über den Platz auf ihn zu.
    Im Nu setzte sich der Pfarrer in Bewegung. In ziemlicher Hast durch die Rundarkaden eilend, fing er Mrs Farleigh ab. Er ließ seine Hand auf ihrer Schulter ruhen, keineswegs wohlmeinend, aber auch nicht mahnend. Dazu kam seine behandschuhte Hand ihrer Brust zu nah.
    Mrs Farleighs Lächeln ließ vermuten, dass sie eine Frau mit Erfahrung war, das Kleid ließ die Verführerin erkennen. Die Worte des Pfarrers deuteten gar Schlimmeres an. Als Lewis seine Hände auf sie legte, zuckte sie indes zurück – ein kaum merkliches Zurückweichen nur, ein leises Erschauern, das alle zur Schau gestellte Sinnlichkeit Lügen strafte. Sie war nicht, was sie auf den ersten Blick zu sein schien.
    Mit einem Mal war Marks Interesse geweckt – auf eine Weise, wie ein tief ausgeschnittenes Kleid und eine umwerfende Figur ihn niemals hätten interessieren können.
    Selbst aus der Entfernung konnte er verstehen, was gesagt wurde. Wahrscheinlich gingen beide davon aus, dass man sie unter den Arkaden nicht hören könne. Doch die Akustik des alten Gemäuers trug gut.
    „Kommen Sie, Mrs Farleigh“, raunte Lewis schroff. „Noch ist nicht Markttag, Sie brauchen Ihre Waren nicht so feilzubieten.“
    Seine Berührung hatte sie zusammenzucken lassen, aber die Andeutung, dass sie ihren Körper verkaufe, ließ sie ungerührt. „Oh, Herr Pfarrer“, erwiderte sie mit gesenkter Stimme. „Alles, was feil ist auf dem Fleischmarkt …“
    Sie verstummte mit einem vielsagenden Lächeln, und Mark ergänzte ganz automatisch, was sie ungesagt ließ: Alles, was feil ist auf dem Fleischmarkt, das esset, und forschet nicht, auf dass ihr das Gewissen verschonet . Die Worte weckten Erinnerungen an seine Kindheit. Er sah sich wieder Bibelverse aufsagen, während seine Mutter stumm die Wand anstarrte und mit dem Kopf im Takt einer Melodie nickte, die nur sie zu hören schien. Die Worte hatten sich ihm eingebrannt, diese Gegenüberstellung des Guten und des Schlechten, des Richtigen und des Falschen.
    Lewis schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. Hier wird nur Getreide verkauft. Und Vieh.“
    Ihr Lächeln wurde breiter, und sie rang Mark gehörigen Respekt ab. Der Pfarrer, Mann Gottes, der er war, hatte nicht einmal bemerkt, dass die gottlose Mrs Farleigh soeben die Heilige Schrift zitiert hatte. Fast beiläufig hob Mrs Farleigh des Pfarrers Hand von ihrer Schulter.
    „Ich möchte Sie nicht aufhalten, Herr Pfarrer“, sagte sie freundlich und ließ seine Hand los. „Gewiss haben Sie noch einiges zu erledigen. Vielleicht finden Sie gar Waren, die tatsächlich feilgeboten werden.“
    Ohne Mark eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie davon. Mit grimmig vor der Brust verschränkten Armen schaute der Geistliche ihr hinterher, mehr von
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