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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane
Autoren: Courtney Milan
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ging es nicht um unschuldige Schwärmerei, hier ging es um ihr Überleben, ihre Zukunft, die allein von diesem kurzen Blinzeln abhing. Es musste etwas bedeuten.
    Fragen blieben, auch als die Gemeinde sich längst erhoben hatte und sich langsam zerstreute. Sowie Sir Mark aufstand, scharten sie sich um ihn. Draußen angelangt, war er umzingelt.
    Jessica wartete an der Friedhofsmauer. Sie würde sich nicht in die Reihen seiner Bewunderer einfügen, nicht um seine Aufmerksamkeit buhlen wie diese jungen Mädchen in ihrem arglosen Eifer. Doch fast wünschte sie so zu sein wie sie – wünschte, dass sein Anblick sie mit Hoffnung erfüllte.
    Ihr blieb nichts als kühle Berechnung. Intriganz war ihr zuwider, Täuschungen missfielen ihr nicht minder. Moralische Bedenken konnte sie sich aber nicht leisten. Diese Zeiten waren lange schon vorbei. Und wenn er nicht zu ihr käme, ehe ihre Ressourcen aufgebraucht waren, würde sie eben zu unlauteren Mitteln greifen müssen.
    „Warten Sie“, rief er, als sein Blick auf sie fiel, und die Schar seiner Bewunderer – ein bunter Haufen aus ältlichen Matronen, jungen Männern und hoffnungsfrohen unverheirateten Damen – hielt gebannt den Atem an. Er kam zu ihr herüber, und mit einem Mal schien ihr das Gras zwischen ihnen zu grün, die Sonne zu grell, sein Haar zu blond, beinah golden.
    Ein paar Schritte entfernt blieb er stehen. „Ich hatte darum gebeten, Ihnen offiziell vorgestellt zu werden“, sagte er, die Stimme ein wenig gesenkt, damit sein Publikum nicht mithörte. „Doch seltsamerweise wollte niemand mir diesen Dienst erweisen.“
    „Das könnte daran liegen“, sagte Jessica, „dass ich furchtbar verrufen bin.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die behandschuhte Hand. „Jessica Farleigh, offiziell die Schande der Stadt. Ganz zu Ihren Diensten.“
    Weder beugte er sich über ihre Hand, wie jeder andere Gentleman es getan hätte, noch schlugen ihre Worte ihn in die Flucht. Stattdessen gab er ihr die Hand, schüttelte sie, als wären sie zu einem unausgesprochenen Einverständnis gelangt. Selbst durch den Handschuh konnte sie seinen Ring spüren. Was sie brauchte, war so nah …
    „Sir Mark Turner“, sagte er. „Ich spreche mit Engelszungen, Schmetterlinge säumen meinen Weg, mein Odem erweckt Vögel zum Singen.“
    So selbstverständlich, wie er ihre Hand ergriffen hatte, ließ er sie wieder los; noch immer meinte sie den leichten Druck seiner Finger zu spüren. Leicht irritiert sah sie ihn an. Was sollte das? Was sollte sie darauf erwidern? Wenn Sir Mark verrückt wäre, hätten die Londoner Gazetten gewiss darüber berichtet …
    „Das stelle ich mir recht beunruhigend vor“, meinte sie schließlich. „Auch scheinen Ihre Schmetterlinge Ihnen abhandengekommen zu sein.“
    Seine Augen funkelten belustigt. „Ich würde einen Handel vorschlagen. Ich glaube nicht alles, was über Sie gesagt wird, wenn Sie nicht alles glauben, was Sie über mich hören.“
    „Sir Mark!“, rief es da, und einer seiner Bewunderer wagte sich tapfer vor. Vermutlich fand man, dass er nun lang genug in ihrer anrüchigen Gesellschaft zugebracht hatte. Nicht dass dem Goldjungen noch ein Leid geschah.
    Viel Zeit blieb Jessica nicht, sie beschloss, sie zu nutzen. „Nach allem, was ich in den Londoner Gazetten gelesen habe, hatte ich Sie mir ganz anders vorgestellt.“
    „Vergessen Sie alles, was Sie gelesen haben. Bitte.“
    Sie bedachte ihn mit einem betörenden Lächeln, und das mit Erfolg. Er verstand es besser als die meisten Männer, seine Reaktion zu verbergen, doch ein leises Schmunzeln spielte um seine Lippen. Er neigte sich ihr kaum merklich zu und stand aufrechter als zuvor. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, sehr sogar. Sie hatte ihn an der Angel.
    Jetzt musste sie den Fang nur noch einholen; er war leichtere Beute als gedacht. Doch schon hielt die Menge auf ihn zu. Sie würde seinen Niedergang somit nicht gleich hier an der Friedhofsmauer vollziehen können.
    „Wollen Sie damit sagen“, fragte sie, „Sie wären kein Heiliger? Sir Mark, ihr Publikum wird schockiert sein.“
    Wieder sah er sie mit diesem Funkeln in den Augen an.
    „Nein“, sagte er ruhig. „Sprechen Sie mich bitte nicht heilig, Mrs Farleigh. Ich bin ein Mann. Einfach nur ein Mann.“
    Er wandte sich ab und wurde sogleich von einer Dame in lilafarbenem Seidentaft in Beschlag genommen, die Jessica giftige Blicke zuwarf. Schon war Sir Mark wieder in der Menge verschwunden.
    Ich bin einfach
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