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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane
Autoren: Courtney Milan
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Kirche St. Peter und St. Paul. Seit ich hörte, dass Ihr Bruder, der Duke, das alte Haus der Tamishs gekauft hat, habe ich Sie in Shepton Mallet erwartet.“
    Nicht das der Tamishs, sondern das der Turners, dachte Mark bei sich. Aber der gute Mann konnte es kaum wissen; er schien einer der wenigen Neuzugänge in Shepton Mallet zu sein. Und als Pfarrer war es nur natürlich, dass er sich für die Schäfchen seiner Gemeinde interessierte; er war kein Sendbote jubelnder Scharen. Mark entspannte sich ein wenig.
    „Mein Vorgänger hat mir von Ihrer Familie erzählt“, fuhr er fort. „Willkommen in Shepton Mallet.“
    Nun wurde er also als der verlorene Sohn willkommen geheißen. Umso besser. „Ich überlegte gerade, wie wenig sich in all den Jahren verändert hat“, sagte Mark. „Aber Sie können mir bestimmt erzählen, was es Neues gibt.“
    Wie erwartet, brauchte man Lewis nicht lange zu bitten. Irgendwann hörte Mark nur noch mit halbem Ohr zu. Letztlich wussten sie beide, dass die einzig nennenswerte Veränderung in Shepton Mallet in den letzten Jahren der stetige Verfall der aufgelassenen Fabriken war.
    „Aber es geht wieder aufwärts.“ Lewis zeigte sich am Ende seines Monologs zuversichtlich. „Wir haben eine neue Schuhmanufaktur. Und nachdem Ihre Majestät die Seide für ihr Hochzeitskleid aus unseren Tuchfabriken bezogen hat, verdoppelten sich die Aufträge fast.“
    So war das kleinstädtische Leben. Die Bestellung der Kleiderseide war keine Neuigkeit im strengeren Sinne, lag die Hochzeit der Königin doch schon über ein Jahr zurück. Aber es zeigte, wie langsam die Uhren im schläfrigen Shepton Mallet gingen.
    Mark fand, er hatte richtig daran getan zurückzukehren. Gut möglich, dass man auch hier von seinem Buch gehört hatte, von seiner Erhebung in den Ritterstand. Aber die Massen, die sich in London an seine Fersen hefteten, hatte er in Shepton Mallet nicht zu fürchten. Man würde wohl wissen, wer er war, ihn aber in Ruhe lassen.
    Vielleicht gestand man ihm gar zu, wieder ein Mensch zu sein – mit allen Fehlern und Schwächen –, statt einen Heiligen aus ihm zu machen.
    „Nun“, fuhr der Pfarrer fort, „ich möchte Ihnen sagen, dass wir alle Ihnen zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet sind.“
    Mark horchte auf. Der erste Misston in seinem bukolischen Traum. „Dankbarkeit?“, fragte er vorsichtig. „Wofür sollte man mir dankbar sein?“
    „Diese Bescheidenheit!“ Lewis strahlte ihn an. „Es ist allein Ihrer Gunst geschuldet, dass Ihrer Majestät Augenmerk auf uns fiel!“ Beim Sprechen neigte er sich Mark ein wenig zu und klopfte ihm sacht ans Revers.
    Eine dunkle Ahnung befiel ihn. Das war kein freundschaftlicher Klaps, das war eine geradezu ehrfürchtige Berührung – als würde man die Finger ins Weihwasser tauchen.
    „Oh nein“, wehrte Mark ab. „Nein. Das sehen Sie völlig falsch. Ich …“
    „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar wir Ihnen hier in Shepton Mallet sind. Hätten die Seidenmanufakturen auch noch dichtgemacht …“ Lewis breitete die Arme aus und ließ den Rest ungesagt. Mark sah verlegen beiseite – und wünschte, er hätte es nicht getan. Mittlerweile schauten die wenigen Leute, die auf dem Platz unterwegs waren, mit sichtlicher Neugier zu ihm herüber.
    Nein. Bitte nicht schon wieder. Er war vor der unerklärlichen Verehrung der Massen aus London geflüchtet, er wollte nicht auch hier als Held gefeiert werden.
    „Diese Stadt verdankt Ihnen viel. Alle warten schon darauf, dass ich endlich Ihre Bekanntschaft mache, um Sie unseren werten Mitbürgern vorzustellen. Lassen Sie uns gleich damit beginnen.“
    Lewis machte eine einladende Geste zu einer an den Rundarkaden lümmelnden Gestalt. Der junge Mann – oder nein, bei aller Größe eher ein Junge – kam so hastig herbeigesprungen, dass er beinah über seine eigenen Füße gestolpert wäre.
    Wer immer der junge Mann war – er war vielleicht gerade mal siebzehn –, gut gekleidet war er. Unbeholfen rückte er seinen Zylinder zurecht, als sei er den flachen Kappen seiner Kindheit doch noch nicht ganz entwachsen.
    „Sir Mark Turner“, stellte Lewis ihn mit allem Pomp des Kirchendieners vor, „wenn ich Ihnen Mr James Tolliver vorstellen dürfte.“
    James Tolliver trug eine blaue Kokarde an der Hutkrempe. Marks Hoffnungen, die sich eben in schwindelnde Höhen hinaufgeschwungen hatten, zerschellten auf dem Buckelpflaster. Nein . Bitte keine blaue Kokarde. Alles, nur nicht das. Vielleicht war es nur
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