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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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lehnte Jürgen ab, „ich kann nicht fahren…“ Was nicht daran lag, dass er keinen Führerschein gehabt hätte. Aber das Zeitfenster, in dem er die Bücher hätte austragen können, war in seinem speziellen Fall nun mal denkbar knapp: irgendwann morgens zwischen Aufstehen und erstem Bier, also zwischen 6.30 Uhr und 6.40 Uhr …
    Margarete Braun zuppelte noch mal ihren Blumenrock zurecht und kam dann zu mir herüber gewatschelt.
    „Und was ist mit dir? Wie wär’s wenn du das mit deinem Schwesterchen zusammen machst? Dann habt ihr das zicki-zacki erledigt!“ – Debiles Grinsen folgte.
    Meine jüngere Schwester hatte inzwischen als Dritte nach mir und meinem Bruder auch bei der Meerbuscher Post angeheuert. Während wir Kerle mühsam die Ausbildung gemacht hatten, nahm Schwesterchen den kürzeren Weg und fing von einem Tag auf den anderen als Verteilkraft an. Was schlauer war, denn für die neunzehn Wochenstunden strich sie fast mehr Kohle ein als wir für unsere vierzig.
    „Ich sprech e mal mit ihr. Äh, was ist denn der Stundensatz für die Maloche?“
    „Geht nicht nach Stunden. Wie viel ihr die Stunde macht, liegt an euch: Pro Buch bekommt ihr jedenfalls sechzig Pfennig.“
    Wow! Das roch wirklich nach leicht verdientem Geld. Denn schließlich sollte jeder Haushalt in Deutschland ein Buch bekommen, man musste also nicht mühsam nach bestimmten Adressen suchen, sondern konnte von Tür zu Tür laufen und die Dinger auf die Stufe legen.
    Dachte ich. Die Wahrheit sollte erst in der unserem Bücherkontingent beiliegende n Zustellanweisung stehen…
    Jedenfalls war Schwesterchen einverstanden, das Geld wollten wir einstreichen. Da wir beide kein Auto besaßen, aber man rund eintausend Postleitzahlbü cher, die genauso dick waren wie das Telefonbuch von Köln, nicht mal eben so untern Arm klemmen konnte, entschieden wir uns, dass Bully-Angebot zu nutzen und guckten uns den Himmelfahrtstag aus, um den nahezu patriotischen – oder um es einmal mehr zu sagen: historischen !!! – Job zu erledigen.
    Vatertag mit Rolf! Ja, das war immer schon mein Traum gewesen. Aber da ich eh keine Kinder hatte und jener Tag sonst sowieso nur wieder ein sinnloses Besäufnis im Kreise frustrierter Familienväter geworden wäre, war es letztendlich egal, dass ich ihn auf diese Art verbrachte. War mal was Anderes – ja, man könnte es geradewegs als – und wieder – historische Leistung bezeichnen, die wir da in Angriff nahmen. Das Bundesverdienstkreuz war uns damit fast schon sicher.
    Die Mission „Fünf ist Trümpf“ (je öfter man es schreibt, desto mehr stellt man fest wie bescheuert das klang…) startete am Vatertagmorgen gegen neun Uhr. Es war ein brütend heißer Frühsommertag – Na bravo, alles richtig gemacht…
    Wir beluden den gelben VW-Bus, die tausend Wä lzer passten gerade so rein. Das uns zugeteilte Revier war quer über den Stadtteil Büderich verteilt, was daran lag dass die Paketzusteller manche Straßenzüge während ihrer normalen Fahrten mit dem spannenden Zahlenwerk versorgten und für uns immer nur Teilbereiche, die bei ihnen wohl nicht so beliebt waren, übrig blieben. Wir sollten an manchen Stellen auch feststellen, warum die Kollegen Zusteller sich so beharrlich dagegen gewehrt hatten, in jenen Häusern anzuklingeln, die wir nun anfahren durften.
    Da war zum Beispiel der freundliche Herr, der auf der Dorfstraße in einem zurückliegenden Haus wohnte und sich wohl derbe in seiner Feiertagsruhe gestört fühlte. Wäre es nach uns gegangen, hätte er auch ruhig an diesem schönen Sommertag mit azurblauem Himmel weiter in seinem düsteren Verschlag vor sich hin schimmeln können – wir hätten ihm seinen PLZ-Wälzer vor die Tür geschmissen. Aber das wollten die Post-Oberen ja nicht! Nein – wir Freiwillige waren angehalten, an jeder Wohnungstür zu klingeln und Rolfs Daseinsberechtigungsnachweis persönlich mit einem breiten Lächeln zu überreichen.
    Und da wir uns die Arbeit so eingeteilt hatten, dass einer am ersten Eingang zustellte und der Andere schon mal zur nächsten Tür mit Klingel ging, kam es bei besagtem Herrn zu erwähntem Unmutsanfall. Denn während Schwesterherz an der mit allerlei Geschnörkel ebenso prunkvoll wie vollkitschig verzierten Haustür schellte, ging ich am gleichen Haus zu einem weiteren, um die Ecke gelegenen Eingang, der ebenso eine Klingel hatte. Da wohnte wohl der Untermieter, so mutmaßte ich, und der hatte schließlich auch ein Anrecht zu erfahren, was er demnächst
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