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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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Leute aus den Häusern Dorfstraße Nummern 1 bis 12 beschwerten, dass sie kein Postleitzahlenbuch bekommen hatten und wir merkten: Ups, da waren wir ja echt gar nicht!, da war dann die Aktion Rolf auch gegessen, Deutschland war glücklich und wir waren dabei. Historisch, ich sage nur: Historisch!

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    Briefträger: „Ist der Brief vielleicht für sie? Der Name ist unleserlich.“
    Kunde: „Nein, ich heiße Schmid.“

22
     

Jesus lebt!
     
    Schon am ersten Tag der Ausbildung ging es los und von da an verfolgte mich das Thema – es war eigentlich die logische Konsequenz, dass ich mich eines Tages entschied, der Kirche und damit allem Religiösen den Rücken zu kehren. Okay, es war als Kind schon immer nicht so wahnsinnig spannend, jeden Sonntag zur Kirche zu müssen und alten oder anderswie verschrobenen Männern in bunten Gewändern dabei zuzuhören, wie sie Wasser predigen und Wein süffeln. Aber man reift ja am Leben und irgendwann hat man dieses Trauma überwunden. So auch ich – bis ER mir erschien.
                  ER hatte zu allem Übel auch noch denselben Vornamen wie ich – man musste zwangsläufig gleich vom ersten Augenblick an aufmerksam aufeinander werden. Dass ich ihn  aber von da an jeden verfluchten Freitag an der Backe haben sollte, das sollte ich erst etwas später schnallen.
                  Er hieß Wolfgang Ulrich. Einen Kopf größer als ich war er und hatte trotz dass er genau so ein Sporthasser war wie ich – der freitagnachmittägliche dienstliche Ausgleichssport war Folter für uns – einen recht athletischen Körperbau.
                  Darauf von mir nach unserer ersten gemeinsamen „Hab meine Sportschuhe vergessen…“-Ausrede angesprochen, wie denn das sein könne, dass man solch einen Körper habe, wenn man nie Sport macht, hatte er auch flux eine Antwort parat:
                  „Es ist meine vollkommene Lebensweise, die Gesamtheit aller Dinge, das Eins-Sein von IHM und mir, die dies ermöglicht.“
                  Okayyy … Ja gut, äh – Mir war natürlich schon im Unterricht aufgefallen, dass dieser große Typ jetzt nicht so das Gehirn abbekommen hat, dass analog zu seiner Körpergröße gewesen wäre. Auf Fragen der Lehrbeamten kam meistens eine sehr verpeilte Antwort, die mit dem gerade aktuellen Lernstoff so viel zu tun hatte wie Christian Wulff mit Ehrlichkeit, was besonders Lehrer Backer dazu veranlasste wahre Schimpfkanonaden mit vielen harten Buchstaben und damit vielen Spuckattacken in Richtung meines dicklichen Banknachbarn mit dem teigigen Gesicht loszulassen.
    Was mir aber erst jetzt, nach dieser kitschigen Überdosis Pathos, auffiel, das war der kleine Anstecker, den er an der Brusttasche seines Hemdes trug.
                  „Jesus lebt!“ war darauf zu lesen. Den Pin starrte ich wohl eine Zehntelsekunde zu lange an, denn als er das bemerkte legte er erst richtig los:
                  „Ich sehe du interessierst dich für unseren Herrn? Das ist gut, er wird dir helfen auf deinen Wegen durch dein irdisches Dasein. Stell mir jene Fragen, die dir auf der Seele brennen, du bist nicht allein damit, mein Glaube und ich, wir werden dir beistehen. Du bist nicht allein!“ Dabei bekam er einen Blick, der mir etwas Angst machte. Denn man musste wissen dass Wolfgang Ulrich von Natur aus schon einen Silberblick hatte, der nicht sympathischer wurde, wenn die ihn beherbergenden Augen aufgerissen wurden. Es hatte etwas kinskieskes in diesem Moment.
                  „Du … bist also … katholischen Glaubens?“, fragte ich zaghaft. Was sollte ich auch tun? Das Thema war plötzlich und unerwartet auf unsere Freistunden-Agenda gesetzt worden, jetzt musste man das Beste daraus machen.
                  „Nein, nein – die katholische Lehre ist nicht fordernd genug.“ – Wie jetzt? Was konnte man denn sonst noch fordern? Unbefleckte Empfängnis per Gesetz oder was? „ Ich gehöre der Kirche der letzten Tage vor der unendlichen Herrlichkeit an. Ich und meine Familie. Und meine Freundin.“
    „Freundin, aha…“, ich wollte meine Chance das Thema zu wechseln nutzen, „Wie lange kennst du sie schon? Sieht sie gut aus?“
    „Das weiß ich alles nicht, ich habe sie noch nie gesehen.“ – Langsam wurde es schrill. – „Jesus unser Herr hat sie mir auserwählt. Und wenn der Tag der unendlichen Herrlichkeit gekommen ist, dann wird er
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