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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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türkischen Kinder, die uns dabei zusahen, fanden das prima, denn sie hatten nun gratis ein neues Klüttergürüst und mussten nicht mehr extra zum Spielplatz laufen.
                  Aber wir hatten die Rechnung ohne die in dieser Siedlung anscheinend allgegenwärtigen Blockwarte gemacht. Waren die meisten von ihnen zwar anscheinend im Vatertags-Vollrausch und somit um diese Tageszeit schon länger nicht mehr anwesend, gab es von ihrer Sorte im Zuge der Emanzipation auch weibliche … so wie jene Frau, deren vollmundiges Stimmorgan uns zunächst mit einem Tinnitus verursachenden Pfiff zu Eis erstarren ließ und dann rief:
                  „So nich‘! So jeht dat absolut nich‘, faule Bande!“
                  Wir drehten uns um und da stand sie. In heutigen Dimensionen stellt man sich so die erwachsene Verwandtschaft von Kindern vor, die Chantalle oder Kevin-Justin-Jason heißen: die selbstgetönten schäbig-schwarzen Haare mit den zwei blonden Strähnen und dem grauen Ansatz am Mittelscheitel wurden anscheinend täglich mit Frittenfett gewaschen. Jedenfalls ließen darauf die Flecken im Billig-Jeanshemd schließen, welches sie über einem darunter steckenden Kopfkissen – ach was sag ich: einem ganzen Steppbett! – trug, so groß war die Wampe, die sie vor sich her schob. In der ebenso speckigen Jeans hätte ein Brauereipferd-Hintern bequem Platz gefunden. Die Füße steckten in Adiletten, die eben nicht von der Firma aus Herzogenaurach stammten und die man daher besser als Asiletten bezeichnete – das kam der Realität bedeutend näher. Auf die Hornhautbeschaffenheit und die Länge der Zehennägel soll an dieser Stelle aus guten Gründen nicht näher eingegangen werden, ebenso nicht auf die Zahl der intakten Zähne in ihrem Mund, denn man redet nicht schlecht über Minderheiten.
                  Jedenfalls: Das Ding, das uns da so abrupt stoppte, sah aus wie Norman Bates‘ Mutter, nur dass diese Frau hier nicht in einem Sessel vor ich hin schimmelte, sondern real war.
                  „Dat jeht nich‘!“, wiederholte sie, „isch hab der Frau Fuchs schon jesacht, dat die Bücher zu die Leute hinjebracht jetan werden  müssen. Die können nisch‘ in das Treppenhaus rumstehen, dat is‘ ein ordentliches Haus, da können wir Dreck nich‘ jebrauchen tun.“ Während sie das so sagte, klimperte sie mit ihrem dicken Schlüsselbund herum. Es schien, als habe sie die Wohnungsschlüssel des ganzen Hauses da dran. Und ich hätte wetten können, dass dieses Weib eines von der Sorte war, die genau wussste, wann ihre Mitbewohner nicht daheim waren und dann deren Buden durchstöberte. Else Kling war nicht nur in der Lindenstraße zu Hause, man fand sie überall.
    „Nein, gnädige Frau“, versuchte ich es auf die charmante Art, obwohl es mir beim Anblick dieses Individuums eigentlich unmöglich war, weil ich auch sonst vergammelten Frikadellen eher selten Komplimente mache, „das tut uns sehr leid, aber in diesem Fall               können wir ihrem Wunsch nicht nachkommen. Die Bücher sind schön gestapelt, es dürfte wohl kein Problem ein, wenn sich jeder im Vorbeigehen eines nimmt und sie so spätestens morgen Mittag weg sind.“ Sagte es und flüsterte meiner Schwester im selben Atemzug zu: „Gib Gummi!“ – und dann rannten wir im Wissen, dass die dicke Tonne uns eh nicht folgen konnte, zu unserem gelben Wagen, sprangen rein und Schwesterherz trat das Gas durch. Durch die entstandene Staubwolke hindurch sahen wir noch im Rückspiegel, wie Madame de Fritt über ihre Asi-Latschen stolperte und sich lang hinlegte. Machte nichts, ihr Rundum-Airbag verhinderte schließlich, dass sie sich größere Verletzungen zuziehen konnte.
                  Unser einziges Problem war: Wie brachten wir Lisbeth Fuchs bei, dass sie in ihrem Stammbezirk am nächsten Tag eine, sagen wir es mal so, etwas unzufriedene Kundin erwarten würde? Ich beichtete ihr zu früher Morgenstunde an jenem Freitag das Malheur. Sie meinte dazu lapidar: „Jo weißt, dös moach i goanz einfach kloar mit dera Frau. Die kriagt a Schoachtel von dene oalde Pralinen, die voam Vorjoahrschristfest, weißt schoa?“, und zwinkerte mir zu, „ doann hoalts die schnell die Goschn!“
                  Da war ich ja beruhigt. Und als dann nach zwei Wochen auch noch unser kleines Missgeschick geklärt war, das sich heraus stellte, nachdem sich  komischerweise nur
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