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Gekauftes Spiel

Gekauftes Spiel

Titel: Gekauftes Spiel
Autoren: Stefan Wolf
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wusste Jonathan Fender inzwischen. Der Grund
war einleuchtend. Zu leicht kann man einen Handy-Anruf zurückverfolgen, ihn
orten. All die wüsten Bedrohungen erreichten den Schiri auf seinem
Festanschluss. Dort war längst eine Fangschaltung installiert. Wenn der Anruf
lange genug dauert, registriert sie, woher er kommt. Doch auch das brachte
nichts. Seine Peiniger benutzten nur öffentliche Telefonzellen, und von denen
gibt es unendlich viele in der Millionenstadt und näherer Umgebung, dem so
genannten Speckgürtel, wo man ziemlich im Grünen wohnt und es dennoch nicht
weit hat in die City.
    Bis zur Stunde waren 97 Anrufe
erfolgt. Begonnen hatte es vor 13 Tagen. Inhaltlich unterschieden sich die
Drohungen nicht sonderlich. Sie warfen ihm vor, das letzte Match vom AC Avanti
gegen den FC Smogmoor wäre ein gekauftes Spiel gewesen, und Fender hätte den AC
Avanti bevorzugt. Doch was die Anrufe für Fender so erschreckend machte, war die
Vielzahl der Personen. Jedes Mal ein anderer, jedes Mal eine andere Stimme,
immer ein neuer Hass, überwiegend Männer, aber auch Frauen waren darunter.
Hooligans, Hooligans, Hooligans. Sie brüllten und geiferten ihren Hass durch
die Leitung und kündigten an, sie würden ihn alle machen.
    Viele, viele Stimmen. Das war
der Eindruck beim ersten Hinhören. Aber nach dem 19. Anruf war nicht nur die
Fangschaltung an den Apparat gekoppelt worden, sondern auch ein Tonbandgerät.
Es zeichnete auf. Im Labor der Kripo wurden die Stimmen analysiert und das
führte zu einem erstaunlichen Ergebnis.
    Es waren nicht viele Stimmen.
Es waren nur drei. Drei Männer. Aber einer von ihnen war ein begabter
Stimmenimitator. Er hatte mindestens 90 verschiedene Stimmen abgeliefert. Ein
stimmliches Genie.
    Und noch etwas offenbarte die
Analyse. Die drei Hoolis sprachen zwar Deutsch, waren aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit Engländer.
    »Das habe ich sowieso geahnt«,
hatte Fender diese Erkenntnis kommentiert. »Sie werfen mir ja vor, dass ich den
FC Smogmoor benachteiligt hätte — zugunsten vom AC Avanti. Diese Hoolis sind
Smogmoor-Anhänger. Aber wirklich um Fußball geht es ihnen dabei nicht. Sie
wollen Aggressionen loswerden. Zum Kotzen!«
    Außerdem hatte er 41
schriftliche Drohungen erhalten. Mit Computer geschrieben und ausgedruckt.
Keine verwertbaren Fingerabdrücke auf Briefbogen oder Kuvert. Fender hätte
seine private Telefonnummer ändern können, aber das wollte er nicht. Er wollte,
dass der Terror aufhörte.
    Im Hauptberuf war er
Kraftfahrzeugmeister und hatte einen Betrieb mit 12 Angestellten. Sein
Teilhaber, ein gemütlicher Mittsechziger, der zum 1. August eigentlich in Rente
gehen wollte, leitete momentan die Firma. Fender saß zu Hause, biss die Zähne
zusammen und hoffte auf bessere Zeiten.
    Es war später Nachmittag. Das
Haus mit kleinem Grundstück lag in einem südwestlichen Vorort. Fenders Frau
besuchte eine Freundin, Tatjana war eben vom Training nach Hause gekommen; wo
Evelyn steckte, wusste er nicht.
    Fender wartete auf den
17.30-Uhr-Anruf. Die anderen telefonischen Drohungen erfolgten rund um die Uhr,
aber ein Anruf kam immer um 17.30 Uhr, als stünde diese Zeit für irgendwas oder
als sollte ein Ritual eingeführt werden.
    Fender hätte natürlich nicht
abheben müssen, aber dann wäre er sich feige vorgekommen, und Schwäche wollte
er denen nicht zeigen.
    Eingespielt hatte sich auch,
dass der 17.30-Uhr-Anruf besonders bösartig war.
    17.29 Uhr.
    Fender saß am Tisch, in
Reichweite des Telefons. Die Finger der rechten Hand trommelten nervös. Fender
war groß und schwer, trotzdem lief er während eines Spiels fast so viel wie die
Spieler. Er hatte einen klotzigen Schädel und eine barsche Stimme, die keinen
Widerspruch zuließ.
    Das Telefon schrillte.
    »Na, endlich, Dreckskerl!«
Fender nahm den Hörer ab. »Ja?«, schnauzte er.
    »Papa«, sagte Evelyn, »ich
wollte nur sagen...«
    »Warum rufst du jetzt an?«
    »Was? Ach sooo! Es ist ja
gleich halb sechs. Ganz vergessen. Ich...«
    »Wenn besetzt ist, könnten
diese Dreckskerle denken, ich hätte den Hörer ausgehängt. Aber ich kneife
nicht.«
    »Klar doch! Ich wollte nur
sagen, ich komme später nach Hause. Mario geht’s nicht gut. Ich bin bei ihm.«
    »Was? Ist er krank?«
    »Nein. Hat aber irgendwie Zoff
mit seinem Vater. Weiß nicht, was. Er sagt’s mir noch nicht.«
    »Lass dich nicht von einem
Zeitungsfritzen erwischen.«
    »Natürlich nicht. Tschüs!«
    Fender legte auf. Auch das
noch!, dachte er. Zoff mit seinem
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