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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut
Autoren: Stacia Kane
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bereits im Sterben. Und als Sterbende konnte sie ihn packen und in den durchbrochenen Salzzirkel zerren. Sie konnte sogar ihre Willenskraft nutzen und den Ektoplasmarker auf Dunlops Haut setzen. Sie konnte ihn mit seinem Pass-Symbol versehen, das ihn dem Psychopomp zu erkennen gab, und ihn dabei festhalten.
    Mit einer verzweifelten Anstrengung krakelte sie ihm das Symbol auf den Arm, während ihre Seele wie eine straff gespannte Wäscheleine zwischen Dunlop und dem Hund hing. Sie wagte nicht hinzusehen, wie es dabei ihrem Körper erging.
    Als sie den letzten Strich gezogen hatte, wurde ihr endgültig schwarz vor Augen. Neue Schmerzen durchfuhren sie. Sie stürzte zu Boden, mit einem Knall, der im ganzen Haus widerhallte - doch das waren normale körperliche Schmerzen und nicht die Qualen, unter denen ihr fast die lebendige Seele aus dem Leib gezerrt worden wäre.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie gerade noch, wie Hyram Dunlop in der wabernden Luft verschwand.
    Sie knibbelte an dem Verschluss ihres silbernen Pillendöschens. Als sie den Deckel endlich aufbekam, schob sie sich zwei große weiße Pillen in den Mund und zerbiss sie, sodass das bittere Aroma ihre Geschmacksknospen überschwemmte. Unwillkürlich rümpfte sie die Nase. Der Geschmack war scheußlich. Und zugleich wunderbar. Die köstlichsten Dinge seien außen stets bitter, hatte Bump einmal zu ihr gesagt, und damit hatte er absolut Recht gehabt.
    Sie griff nach ihrer Wasserflasche, nahm einen Schluck und spülte sich das Wasser im Mund herum, damit die Wirkstoffe der zerkauten Pillen schon über die Mundschleimhaut ins Blut übergingen und sie beginnen konnten sich aufzulösen, ehe sie dann vom Magen aus ihre volle Wirkung entfalteten.
    Sie schloss die Augen. Die Erleichterung war noch nicht das, was sie in zwanzig oder dreißig Minuten sein würde, wenn die Cepts erst einmal verdaut waren. Aber sie taten auch jetzt schon gut. Das Zittern ließ so weit nach, dass sie ihre Hände wieder gebrauchen konnte.
    Normalerweise war das anschließende Aufräumen das Unangenehmste an einer Geisteraustreibung. Diesmal jedoch war ihr fast die Seele herausgerissen worden - ein Gefühl wie bei einem ganz besonders gut klebenden Heftpflaster.
    Behutsam verstaute sie die Bestandteile des Altars in ihrer Tasche und schlug den Hundeschädel in Hanfpapier ein, ehe sie ihn obendrauf legte. Jetzt musste sie sich einen neuen kaufen. Dieser Hund wusste nun, wie sie schmeckte. Sie durfte ihn nicht mehr verwenden.
    Als sie dann ausfegte, setzte die volle Wirkung der Cepts ein. Ihr wurde innerlich so leicht, und eine köstliche freudige Erregung ließ sie unwillkürlich lächeln. Eigentlich stand es ja gar nicht so schlimm. Sie war am Leben. Und gerade high genug, um sich dessen zu erfreuen.
    Die Sanfords kamen, als Chess gerade mit Hammer und Eisennagel vor ihrer Haustür kniete.
    »Willkommen daheim«, sagte sie und interpunktierte ihre Worte mit Hammerschlägen. »Jetzt dürften Ihre Probleme behoben sein.«
    »Er ist... weg?«, fragte Mrs. Sanford und bekam große Augen. »Wirklich weg?«
    »Ja.«
    »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.« Mr. Sanford hatte diese Art sich auszudrücken und dazu eine sehr sonore Stimme.
    »Ist doch mein Job.« Chess brachte es nicht mal fertig, sauer auf die Sanfords zu sein. Man konnte ihnen schließlich nicht vorwerfen, dass sie ehrlich waren und es bei ihnen tatsächlich gespukt hatte - im Gegensatz zu den neunundneunzig Prozent der Fälle, in denen die Leute das nur vortäuschten.
    Chess trieb den Nagel tief ins Holz. »Den sollten Sie auf keinen Fall wieder entfernen. Wir haben festgestellt, dass Häuser, in denen es tatsächlich gespukt hat, für erneute Geistererscheinungen anfällig sind. Und dieser Nagel dürfte das verhindern.«
    »Gut, wir werden ihn nicht anrühren.«
    Sie legte den Hammer in ihre Tasche zurück und wartete ab, wobei sie sich alle Mühe gab, weiterhin freundlich zu lächeln. Mr. und Mrs. Sanford sahen einander beklommen an. Was hatten sie denn?
    Oh. Ach so.
    »Na dann gehn wir doch rein, erledigen den Papierkram und sorgen dafür, dass Sie Ihren Scheck bekommen.«
    Die Anspannung wich. Chess konnte es den Sanfords nicht verübeln. Wenn sie selber jetzt die Hand aufhalten und von der Kirche fünfzigtausend Dollar entgegennehmen könnte, nur weil sich in ihrem Haus ein entwichener Geist aufgehalten hatte, wäre sie jetzt auch ziemlich entspannt. Genauso hätte sie sich gefühlt, wenn sie statt der
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