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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer
Autoren: Kevin Dutton
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kämpfen um das Leben eines Menschen. Der Medizinmann benutzt eine Art Totschlagargument. Der
     Arzt greift es mühelos auf und verwendet es gegen ihn. Was war das nun: Überzeugung oder Betrug? Diesen Beigeschmack, diese
     zwielichtige Bedeutung hat das Wort auch. Kaum hören wir es, kriechen aus den dunkeln neuronalen Schrankfächern unseres Hirns
     dubiose Figuren wie Gebrauchtwagenhändler, heuchlerische Politiker und Bauernfänger aller Art. Auf jeden Fall enthält diese
     Geschichte vom Schamanen und vom Gehirnflüsterer den Kern von Beeinflussung in seiner einfachsten, reinsten Form: als Kampf
     um die Vorherrschaft im Gehirn. Wie ist das möglich? Wie kann es sein, dass etwas, das im Gehirn des einen Menschen vor sich
     geht und in Worte gefasst wird, eine so radikale Veränderung im Gehirn eines anderen Menschen auslösen kann?
    Bei den alten Griechen gab es bekanntlich Götter für mehr oder weniger alles. Die Göttin der Überredung oder Überzeugung war
     Peitho (lateinisch Suada oder Suadela). Wir sprechen heute noch von Suada, wenn uns jemand ein Ohr abquatscht, um uns zu überzeugen.
     Allerdings sehen wir in den Zeiten nach Darwin, der Spieltheorie und einigen Fortschritten in der Hirnforschung die Dinge
     etwas anders als damals und suchen uns Bestätigung eher in der Wissenschaft als in der Götterwelt. Wenden wir uns also der
     Evolutionsbiologie zu. Wir werden feststellen, dass die Geschichte der Überzeugung älter ist, als wir uns oder die Götter
     sich das vorgestellt haben. Machen wir uns auf die Suche nach den frühesten Formen von Überzeugung, vorsprachlichen, vor-bewussten,
     vor-menschlichen Formen. Dasverblüffende Ergebnis: Überzeugung ist nicht nur endemisch für jegliche irdische Existenz, sondern auch systemisch, als Teil
     der Ordnung der Natur und der Entstehung des Lebens.
    Heutzutage entwerfen Architekten gerne glänzende Glasgebäude für üppig begrünte, baumreiche Örtlichkeiten. An die einheimische
     Vogelpopulation denken sie dabei nicht. Im Jahr 2005 hatte das Institut für Hirnforschung und Kognitionswissenschaft in Cambridge
     Probleme mit Kamikaze-Tauben. Der Vorplatz eines brandneuen Gebäudeteils erwies sich als Selbstmordtreffpunkt. Bis zu zehn
     Vögel täglich stürzten sich in die Fensterfront des todschicken neuen Hörsaals. Der Grund war rasch klar. In der Glasfassade
     spiegelten sich die Bäume und Büsche der Umgebung. Und die Vögel erkannten den Unterschied zwischen Schein und Sein nicht.
     Was tun?
    Das Problem war schnell erkannt, aber nicht schnell gebannt. Weder Vorhänge noch Plakate, ja nicht einmal eine Vogelscheuche
     zeigten Wirkung. Schließlich hatte die Kollegin Bundy Mackintosh die rettende Idee. Warum nicht mit den Vögeln in ihrer eigenen
     Sprache sprechen? Sie schnitt aus einem Pappkarton die Silhouette eines Adlers aus und klebte sie ins Fenster. Tief in ihrem
     kleinen Hirn haben die Vögel eine Art Armaturenbrett, auf dem sofort rote Signallichter aufleuchten, wenn der Umriss eines
     Raubvogels zu sehen ist. Ein altes Kraftfeld der Evolution fängt an zu wirken, vertreibt die Vögel und leitet sie weg von
     der Gefahr. Problem gebannt.
    Damit man mit den Vögeln in ihrer eigenen Sprache sprechen kann, muss man die Syntax ihrer biologischen Mundart kennen. Und
     falls Sie denken, so etwas können nur Menschen, dann täuschen Sie sich. Die Biologin Karen McComb an der University of Sussex
     hat ein interessantes Phänomen bei Katzen entdeckt: Um Herrchen oder Frauchen dazu zu bringen, dass sie den Napf füllen, produzieren
     Katzen ein spezielles »Aufforderungsschnurren«. McComb und ihre Mitarbeiter haben die Reaktion von Katzenbesitzern auf unterschiedliche
     Arten des Schnurrens getestet und herausgefunden, dass die Schnurrtöne, wenn Katzen Futter wollen, weniger leicht ignoriert
     werden als andere Schnurrtöne.Es ist eine andere Tonlage. Wenn Katzen Futter wollen, dann senden sie die klassische gemischte Botschaft, indem sie dem zufriedenen
     tiefen Schnurrton einen drängenden höheren Laut, eine Art Weinen, hinzufügen. Das bewahrt sie davor, sofort aus dem Schlafzimmer
     geworfen zu werden, was bei dem hohen Ton alleine der Fall wäre, und weckt gleichzeitig den uralten Beschützerinstinkt des
     Säugetiers für seinen verletzlichen abhängigen Nachwuchs. »Den Heulton mit einer Lautäußerung zu verbinden, die normalerweise
     Zufriedenheit signalisiert, ist eine ziemlich raffinierte Methode, um eine Reaktion zu erzeugen«,
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