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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
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Uniform und Lederjacke. Der junge New Yorker Streifenbeamte, schlank und blond, hatte Sachs bei dem Fall Creeley geholfen und stand auf Abruf bereit, um Rhyme bei dessen Fällen zur Hand zu gehen. Vor einer Weile war er im Dienst übel zusammengeschlagen worden. Nach einem langwierigen Krankenhausaufenthalt hatte man ihm eine Frühpensionierung angeboten.
    Der noch wenig erfahrene Polizist hatte Sachs erzählt, er habe sich mit Jenny, seiner jungen Frau, hingesetzt und die Sache besprochen. Sollte er die Uniform an den Nagel hängen oder nicht? Pulaskis Zwillingsbruder, auch ein Cop, lieferte ebenfalls das eine oder andere Argument. Und am Ende beschloss Ron, sich einer Therapie zu unterziehen und den Dienst wieder aufzunehmen. Sachs und Rhyme waren von seiner jugendlichen Hingabe beeindruckt gewesen und hatten ihre Beziehungen spielen lassen, damit Pulaski
ihnen so oft wie möglich zugeteilt wurde. Später gestand er Sachs (aber selbstverständlich nicht Rhyme), dass die Weigerung des Kriminalisten, sich von seiner Querschnittslähmung und dem anstrengenden täglichen Training unterkriegen zu lassen, ihn stark beeindruckt und wesentlich zu der Entscheidung beigetragen hatte, bei der Polizei zu bleiben.
    Pulaski trug keinen Overall und blieb daher hinter dem gelben Absperrband. »O mein Gott«, murmelte er bei dem bizarren Anblick des Toten.
    Dann berichtete er Amelia, dass Sellitto und andere Kollegen die Sicherheitsbeamten und Büroangestellten der umliegenden Gebäude befragten, ob jemand etwas gesehen oder gehört habe oder Theodore Adams kenne. »Das Labor ist immer noch mit den Uhren beschäftigt und wird sie später bei Rhyme abliefern«, fügte er hinzu. »Ich überprüfe die Nummernschilder aller Wagen, die hier in der Gegend geparkt sind. Sellitto hat mich damit beauftragt.«
    Sachs, die mit dem Rücken zu Pulaski stand, nickte zwar, achtete in Wahrheit aber kaum auf das, was er sagte; es war im Moment nicht wichtig für sie. Sie würde gleich den Tatort untersuchen und bemühte sich, einen klaren Kopf zu bekommen. Trotz des Umstands, dass eine solche Arbeit naturgemäß mit leblosen Objekten zu tun hat, ist dieser Tätigkeit eine seltsame Intimität zu eigen; um effektiv zu sein, müssen Beamte der Spurensicherung sich mental und emotional in die Rolle des Täters versetzen. Das ganze schreckliche Geschehen spielt sich vor ihrem inneren Auge noch einmal ab: was der Killer dachte, wo er stand, als er die Pistole, den Knüppel oder das Messer hob, wie er seine Körperhaltung veränderte, ob er den Todeskampf des Opfers beobachtete oder sofort weglief, was ihm am Schauplatz des Verbrechens auffiel, was auf ihn verlockend oder abstoßend wirkte, welchen Fluchtweg er wählte. Das hier war kein psychologisches Profiling – die gelegentlich hilfreiche, medienwirksame Porträtierung eines Tatverdächtigen. Es ging vielmehr darum, aus dem gewaltigen Durcheinander eines Tatorts die wenigen wichtigen Anhaltspunkte herauszufiltern, die zur Tür des Täters führen konnten.
    Und genau das machte Sachs nun, sie wurde zu jemand anderem – zu dem Mörder, der dem Leben eines Menschen ein so furchtbares Ende gesetzt hatte.

    Ihr Blick schweifte hin und her, hoch und runter: über das Kopfsteinpflaster, die Mauern, die Leiche, das eiserne Gewicht …
    Ich bin er... ich bin er... Was geht in meinem Kopf vor? Warum wollte ich diese Opfer töten? Warum auf diese Weise? Warum auf dem Pier, warum hier?
    Aber die Todesursachen waren so ungewöhnlich und der Verstand des Killers so weit von ihrem eigenen entfernt, dass Amelia keine Antworten auf diese Fragen fand, zumindest noch nicht. Sie setzte ihr Headset auf. »Rhyme, bist du da?«
    »Wo sollte ich sonst sein?«, fragte er belustigt. »Ich warte. Wo bist du? Am zweiten Tatort?«
    »Ja.«
    »Was siehst du, Sachs?«
    Ich bin er...
    »Eine Gasse, Rhyme«, sagte sie in das Mikrofon. »Eine Sackgasse für die Lieferanten, ohne Durchgang zur anderen Seite. Das Opfer liegt nahe an der Straße.«
    »Wie nahe?«
    »Viereinhalb Meter von der Einmündung entfernt. Die gesamte Gasse ist dreißig Meter lang.«
    »Wie ist er dorthin gelangt?«
    »Es gibt keine Reifenspuren, aber man hat ihn eindeutig zu der Stelle geschleift; seine Jacke und Hose sind auf der Rückseite voller Salz und Dreck.«
    »Gibt es in der Nähe der Leiche irgendwelche Türen?«
    »Ja. Er liegt fast genau vor einer.«
    »Hat er in dem Gebäude gearbeitet?«
    »Nein. Ich habe seine Visitenkarten. Er ist
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