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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
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sich, dass der Tatort durch das Räumkommando bei der Bergung des Kastens zusätzlich verunreinigt worden war. Doch bei Verdacht auf einen Sprengsatz gab es nun mal keine Alternative.
    Außerdem sammelte sie die teils mit verkrustetem Blut bedeckte Nachricht des Mörders ein. Dann nahm sie Proben des gefrorenen Blutes. Sie bemerkte die Kratzspuren auf den Planken, wo das Opfer sich über dem Wasser baumelnd festgeklammert hatte und schließlich abgerutscht war. Und sie stellte einen abgerissenen Fingernagel sicher – er war breit, kurz und nicht lackiert, was auf ein männliches Opfer hindeutete.
    Der Killer hatte ein Loch in den Maschendrahtzaun des Firmengeländes geschnitten. Sachs nahm eine Probe von der Schnittkante, um den Draht auf Werkzeugspuren untersuchen zu können. Weder am Zaun noch neben der gefrorenen Blutlache fanden sich Fingerabdrücke, Fuß- oder Reifenspuren.

    Bisher hatte man keine Zeugen ermitteln können.
    Laut Auskunft der Gerichtsmedizin würde jemand, der bei diesem Wetter in den Hudson fiel, innerhalb von etwa zehn Minuten an Unterkühlung sterben. Polizeitaucher und die Küstenwache suchten weiterhin nach der Leiche sowie nach etwaigen Beweisstücken im Wasser.
    Sachs befand sich nun am zweiten Tatort, der Gasse an der Cedar Street, in der Nähe des Broadway. Theodore Adams, Mitte dreißig, lag auf dem Rücken und war mit Isolierband geknebelt sowie an Handgelenken und Füßen gefesselt. Der Täter hatte ein Seil über eine Feuertreppe geworfen, die drei Meter über dem Kopf des Mannes hing, und an einem Ende eine schwere, knapp zwei Meter lange Metallstange festgebunden, deren Enden mit Löchern versehen waren, ähnlich zwei großen Nadelöhren. Diese Stange hing quer über der Kehle des Opfers. Das andere Ende des Seils hatte der Mann in die Hand gedrückt bekommen. Da Adams gefesselt war, konnte er sich nicht unter der Stange hervorwinden. Seine einzige Chance bestand darin, das schwere Gewicht unter Aufbietung all seiner Kraft in der Luft zu halten, bis jemand zufällig vorbeikommen und ihn retten würde.
    Was nicht geschehen war.
    Er war bereits seit einer ganzen Weile tot, und die Stange hatte seine Kehle immer weiter zusammengedrückt, bis die Leiche in der Dezemberkälte steif gefroren war. Nun war sein Hals unter der schweren Last nur noch zwei oder drei Zentimeter hoch. Sein Gesicht war kreidebleich, und die Augen starrten blicklos ins Leere. Amelia ahnte, wie er während der – wie viel? – zehn oder fünfzehn Minuten ausgesehen haben musste, die er um sein Leben gekämpft hatte, wie er erst rot, dann violett angelaufen war und wie seine Augen aus den Höhlen gequollen waren.
    Wer, um alles in der Welt, beging solche Morde, die den Tod der Opfer möglichst hinauszögern sollten?
    Sachs zog einen weißen Tyvek-Overall an, um den Tatort nicht durch eigene Kleidungsfasern oder Haare zu verunreinigen. Dann legte sie ihre Utensilien bereit und besprach sich derweil mit zwei ihrer Kollegen vom NYPD, Nancy Simpson und Frank Rettig, die in der in Queens gelegenen Zentrale der Spurensicherung arbeiteten. In der Nähe stand das Einsatzfahrzeug der beiden geparkt –
ein großer Transporter mit allen benötigten Ausrüstungsgegenständen.
    Amelia streifte sich Gummiringe über die Schuhe, damit ihre Abdrücke sich zweifelsfrei von denen des Täters unterscheiden würden. (Einer von Rhymes zahlreichen Einfällen. »Aber wozu die Mühe? Ich stecke in dem Overall, Rhyme. Mein Sohlenprofil wird ohnehin durch die Füßlinge verdeckt«, hatte Sachs bei einer Gelegenheit angemerkt. Er hatte sie mit mattem Lächeln angesehen. »Oh, ich bitte um Entschuldigung. Ein Täter würde natürlich niemals auf die Idee kommen, sich einen Tyvek-Overall zu kaufen. Wie viel kosten die Dinger, Sachs? Neunundvierzig fünfundneunzig?«)
    Bei diesen zwei Morden schien es sich entweder um Taten des organisierten Verbrechens oder um das Werk eines Psychopathen zu handeln; Hinrichtungen des Mobs wurden oft auf ganz spezielle Weise inszeniert, um rivalisierenden Banden eine Botschaft zu schicken. Ein Soziopath hingegen handelte unter dem Einfluss von Wahnvorstellungen oder zum eigenen Vergnügen, das auf sadistischem Lustgewinn beruhen konnte oder sich einfach nur aus der Grausamkeit speiste, ganz ohne sexuelle Komponente. Amelia hatte im Laufe ihrer Dienstzeit gelernt, dass das Zufügen von Schmerz für manche Leute einen starken Antrieb darstellte und sogar süchtig machen konnte.
    Ron Pulaski kam auf sie zu, in
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